Szenen, die so mancher nicht einmal im Spielfilm sehen möchte, haben sich am Mittwoch in der deutschen Provinz abgespielt. Ein 17-Jähriger marschiert in seine ehemalige Schule, schießt wahllos um sich, flüchtet - und zwei Stunden später sind 16 Menschen tot.

Zum Leid der Opfer und der Angehörigen kommt die quälende Frage nach dem Warum. Es gab am Mittwoch keine Anhaltspunkte für ein Motiv. Unauffällig soll der Amokläufer gewesen sein, aus „gutem Hause" in Baden-Württemberg, wo sie doch so fleißig schaffen den ganzen Tag.

Das deutschlandweite Entsetzen über die Tat geht jedoch noch tiefer, bezieht sich nicht alleine auf Winnenden. Denn im April 2002 hat in Erfurt ein 19-Jähriger auch 15 Menschen getötet, bevor er sich selbst richtete. Winnenden ist also bei weitem kein Einzelfall.


Es ist ja auch nicht so, dass nach dem Massaker von Erfurt in Deutschland gar nichts passiert ist. Die Waffengesetze wurden verschärft, der Kauf von Computerspielen wurde erschwert. Denn ein Amoklauf war plötzlich nichts mehr, das bloß irgendwo in den USA geschieht.

Vieles aber wurde nicht gemacht. Einen Psychologen wollte der damalige Innenminister Otto Schily (SPD) in jede Schule schicken. Der Vorsatz jedoch blieb nur ein Vorsatz. Ob es im Fall Winnenden etwas genützt hätte, kann ohnehin keiner beantworten. Schmerzhaft klar ist hingegen nun, dass Deutschland sieben Jahre nach Erfurt mit der Präventionsarbeit wieder von vorne anfangen muss. (Birgit Baumann, DER STANDARD Printausgabe 12.3.2009)