Hamburg/Kiel - Im Sog der Weltrezession bricht die exportlastige deutsche Wirtschaft Konjunkturforschern zufolge in diesem Jahr um fast vier Prozent ein. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet für 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 3,7 Prozent. "Die Weltkonjunktur ist zum Ende des vergangenen Jahres deutlich stärker eingebrochen als von uns erwartet", teilten die Experten am Donnerstag mit. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) rechnet sogar mit einem Minus von 3,8 Prozent.

Damit korrigierten die Experten ihre Prognosen deutlich nach unten. Das IfW ging im Dezember noch von einem Rückgang des BIP um 2,7 Prozent aus. Eine deutliche Abschwächung der wirtschaftlichen Aktivität für 2009 sei weithin erwartet worden - vor allem wegen der Krise an den internationalen Finanzmärkten und Problemen in wichtigen Abnehmerländern für deutsche Produkte. "Gleichwohl kam das Ausmaß und noch mehr das Tempo, mit dem die Produktion zum Jahresende 2008 einbrach, überraschend", erklärte das IfW, das als erstes der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute seine Prognose in diesem Jahr abgab.

Im vierten Quartal 2008 sei die gesamtwirtschaftliche Produktion so stark wie nie zuvor in den vergangenen vier Jahrzehnten gesunken, betonte das IfW. Das reale Bruttoinlandsprodukt habe mit einer laufenden Jahresrate von 8,2 Prozent abgenommen. Exporte seien "geradezu spektakulär" um 26,2 Prozent eingebrochen.

Arbeitsmarkt erreicht

"Die Rezession hat nun auch den Arbeitsmarkt erreicht", erklärte das IfW weiter. Erstmals seit mehreren Jahren steige die Zahl der Arbeitslosen wieder spürbar. Das HWWI schätzt, die Arbeitslosenzahl werde 2010 wieder mehr als vier Mio. erreichen. Für die Entwicklung sei von Bedeutung, inwieweit die Unternehmen die Krise mit Kurzarbeit zu überbrücken versuchen, statt Mitarbeiter zu entlassen.

Für das erste Quartal 2009 zeichnet sich laut IfW ein weiterer Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts ab. Maßgeblich dafür sei die extrem schlechte Auftragslage beim verarbeitenden Gewerbe. Das Produktionsniveau sei deutlich niedriger als noch im Dezember angenommen.

Eine mittelfristige Prognose, also ab der zweiten Jahreshälfte 2009, sei wegen der weltweiten Krise besonders unsicher, hieß es aus Kiel: "Derzeit deutet wenig darauf hin, dass die Schwierigkeiten im Bankensektor rasch überwunden werden, weder in Deutschland noch in den anderen Ländern." Aufgrund der trüben Konjunkturaussichten bei den großen Handelspartnern seien aus dem Ausland weiter negative Impulse zu erwarten.

Rückgang verlangsamt sich in zweiter Hälfte

In der zweiten Hälfte 2009 dürfte sich der Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion aber spürbar verlangsamen. Eine Stabilisierung prognostizieren die Kieler Experten für Frühjahr 2010. Vor diesem Hintergrund dürfte das Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr um 0,1 Prozent sinken, statt das bisher prognostizierte Plus von 0,3 Prozent zu erreichen.

Deutlich optimistischer blickt das HWWI in die Zukunft: Es sagt für 2010 ein Wachstum von 1 Prozent voraus. Die Talfahrt laufe etwa zur Mitte des laufenden Jahres aus. Das HWWI gehört nicht zu den Wirtschaftsforschungsinstituten, die jeden Herbst und Frühjahr gemeinsam ihre Konjunkturprognose abgeben.

Das gemeinsame Frühjahrsgutachten ist für den 23. April geplant. Zuvor, am 17. März, will das Institut für Wirtschaftsforschung Halle seine eigene Prognose vorlegen, am 23. März das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI). (APA)