In Ballerspielen sind sie der Held, in der Schule der große Außenseiter. Können Killerspiele wie "Counter-Strike" oder gewaltverherrlichende Filme für reale Gewalttaten verantwortlich gemacht werden? Wer das behauptet, macht es sich zu einfach, sagte der Deutsche Sebastian Strüber, der sich in einer Studie mit genau diesem Thema beschäftigt hat. Man könne ja auch nicht sagen "wer sich Rocky anschaut, erschlägt seinen Nachbarn". Und genauso wenig ist jemand, der "Counter-Strike" spielt, ein potenzieller Amokläufer, meinte der Autor gegenüber der APA.

Zeitfaktor

Jugendliche, die Ballergames spielen, tun dies - den Ergebnissen seiner Untersuchung zufolge - intensiv, viele Stunden am Tag. In Strübers Interviews haben Spieler angegeben, dass sie "48 Stunden am Stück durchspielen" können, sagte er. Das Problem sei weniger der Inhalt als der intensive Zeitfaktor. "Das Spiel wird zum Lebensinhalt, Jugendliche verlieren die Selbsteinschätzung", meinte Strüber. In der Schule haben sie vielleicht keine Freunde, sind frustriert und im Spiel sind sie der Held. Diese Spiel habe laut Strüber einen extrem hohen Suchtfaktor.

Teamgedanke

"Counter-Striker" spielen aber in erster Linie nicht, um Aggressionen abzubauen, es herrsche ein großer Teamgedanke vor. "Ich behaupte aber schon, wenn Leute ihre ganze Zeit dem Spiel verschenken und sich ein virtuelles soziales Geflecht aufbauen, dann kann das zu gewissen Aggressionen führen." Das betreffe aber andere Spiele genauso. Korrelationen zwischen gewalttätigen Inhalten und aggressivem Verhalten treffen wenn, dann aber auch für Horrorfilme oder andere gewaltverherrlichende Filme zu, meinte der Autor. Brutale Filme wie "Saw" leben ebenfalls von Aggressivität und erfreuen sich großer Beliebtheit. "Hier wählt man auch bewusst und aktiv einen gewaltverherrlichenden Film aus", meinte Strüber.

Studie

Sebastian Strüber hat nach dem Erfurter Attentat vom 26. April 2002 in einer Studie herausgearbeitet, inwiefern Spiele wie "Counter-Strike" - das damals in die Schlagzeilen geraten ist - für reale Gewalttaten verantwortlich gemacht werden kann. Er kam zu dem Ergebnis, dass man keinen konkreten Zusammenhang zwischen dem Spiel und realen Aggressionen herstellen könne, "weil die Persönlichkeiten einfach zu unterschiedlich sind". Den typischen Nutzer gäbe es nicht. Menschen aus allen Schichten würden es spielen, so der Autor.

Die richtigere Diskussion im Zusammenhang mit Amokläufen wäre aber sich zu fragen, woran es gelegen hat. "Familiäre Strukturen, Freundeskreis, mangelndes Selbstwertgefühl, was war es?", fragte Strüber. Ohne es verharmlosen zu wollen, "das Motiv ist nicht, dass er diese Spiele gespielt oder diese Filme gesehen hat".

Überholtes Modell

In eine ähnliche Kerbe schlägt Jürgen Grimm, Medien- und Kommunikationswissenschafter an der Universität Wien, der sich seit mehr als 15 Jahren mit Medienwirkungsforschung beschäftigt. In den Anfängen ging die Wissenschaft davon aus, "dass das was ich zeige, imitiert wird", sagte Grimm im Gespräch mit der APA. "Diese Modell betrachte ich als überholt", meinte er.

Anders als Strüber unterscheidet Grimm aber sehr wohl zwischen Filmen und sogenannten "Ego-Shooter"-Spielen wie "Counter-Strike". Bei derartigen Games schlüpfe der Rezipient meist gleich in die "vorgegebene Täterrolle". Die Möglichkeit, sich mit dem Opfer zu identifizieren sei oft gar nicht mehr gegeben. Daher haben solche Spiele ein anderes bzw. höheres Wirkungsrisiko was Aggressionen angeht.

"Robespierre-Effekt"

Grimm geht davon aus, dass Gewaltdarstellungen im Film beim Seher zunächst eine Identifikation mit dem Opfer auslösen und zu diesen eine emotionale Nähe - empathische Empfindungen - entwickeln. Er bezeichnet es als "Robespierre-Effekt", wenn Zuseher Rachegefühle positiv bewerten, weil sie dadurch eine Befreiung vom Leiden empfinden.

Gewalt in den Medien erzeugt Wirkung, so Grimm, "diese kann aber sowohl aggressionssteigernd als auch -mindernd sein". Der Schlüssel des Ganzen sei, wie der Rezipient die Opfererfahrung weiterverarbeitet, meinte der Wissenschafter.

Keine Lösung durch Medienpolitik

Würde man sich mit dem Täter identifizieren und wie der Verbrecher im Film "rot sehen", dann wäre laut Grimm ein Gefahrenpotenzial in den Medien konstatierbar. Der Amoklauf könne laut Grimm als fehlgeleitete Opferverarbeitung gedeutet werden. Im Grunde gäbe es ein breites Spektrum an Verhaltensweisen, die das Filmschauen auslösen kann. Die Medienpolitik sei aber nicht der Schlüssel um so etwas zu verhindern. (APA)