ien - Das Gesetz zum Kinderbetreuungsgeld ist nicht verfassungswidrig, sowohl was die Zuverdienstgrenze als auch die Rückforderungen betrifft. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden. VfGH-Präsident Gerhart Holzinger verwies bei einer Pressekonferenz am Freitag in Hinblick auf frühere Ministerweisungen, wonach die Rückforderungen des Zuschusses zum Kindergeld nicht exekutiert werden sollten, unmissverständlich auf die Regeln des Rechtsstaates: Solange ein Gesetz gilt, seien alle daran gebunden.

Regelungen schwer nachvollziehbar

Der Oberste Gerichtshof (OGH) und die Oberlandesgerichte hatten beim VfGH eine Prüfung der Art und Weise, wie die Zuverdienstgrenze berechnet wird, beantragt. Die Obergerichte hatten in ihren Anträgen unter anderem damit argumentiert, dass die Regelungen schwer nachvollziehbar und undifferenziert seien.

"Die Berechnung des für die Zuverdienstgrenze maßgeblichen Einkommens erreicht nicht ein solches Maß an Kompliziertheit und Intransparenz, dass die Anwendung dieser Regelung für die potenziellen Bezugsberechtigten unmöglich oder in verfassungswidrigerweise erschwert wird", stellt nun der VfGH fest. Eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen sei mit allen einkommensabhängigen Sozialleistungen zwangsläufig verbunden und mache die Regelung nicht verfassungswidrig.

Alternative Lösungen

Anwälte hatten Sammelklagen wegen Rückzahlungs-Forderungen angekündigt, die Regelungen dazu seien verfassungswidrig. Bedenken gegen eine Rückzahlungsverpflichtung bei Überschreiten der Zuverdienstgrenze bestehen jedoch nicht, so der VfGH. Holzinger betonte jedoch, dass es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs sei zu beurteilen, ob es alternative Lösungen gibt.

Auf eine Feststellung, wonach die FPÖ- bzw. BZÖ-Sozialminister mit der Weisung, Rückforderungen nicht zu exekutieren, rechtswidrig gehandelt hätten, ließ sich Holzinger explizit nicht ein. Er betonte jedoch, dass es die "Basis" des Rechtsstaates sei, dass Gesetze für alle bindend sind, solange sie gelten oder nicht aufgehoben werden. Das gelte für alle Organe, auch für Regierungsmitglieder, so der VfGH-Präsident.

Für "schlechte Formulierungen" nicht zuständig

Der Verfassungsgerichtshof habe sich mit einer Vielzahl von Verfahren beschäftigt und dabei festgestellt, dass die Regelung der Zuverdienstgrenze nicht derart kompliziert und undurchschaubar sei, dass sie verfassungswidrig wäre, sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger. Daher seien auch die Rückzahlungsforderungen nicht zu beanstanden. Nicht alles, was kompliziert sei, sei auch verfassungswidrig. "Für schlechte Formulierungen in Gesetzen ist der Verfassungsgerichtshof nicht zuständig", so Holzinger.

Es sei nicht Aufgabe des VfGH zu beurteilen, ob es zweckmäßigere oder alternative Lösungen gibt. Solange also ein Gesetz nicht aufgehoben oder geändert wird, gelte es für alle. "Das ist so im Rechtsstaat", sagte Holzinger im Hinblick auf die jahrelang nicht exekutierten Rückforderungen des Zuschusses zum Kindergeld. Der Oberste Gerichtshof (OGH) und die Oberlandesgerichte, die das Gesetz zum VfGH gebracht hatten, müssen nun die bei ihnen liegenden Fällen nach der dessen Feststellung entscheiden.

Inzwischen entschärft

Die Rückforderungen beim Kindergeld-Zuschuss, eine Art Darlehnen für einkommensschwache Familien, das zurückbezahlt werden muss, sind inzwischen vom Gesetzgeber entschärft worden. Unter anderem wird die Einkommensgrenzen, ab denen der Kredit zurückbezahlt werden muss, rückwirkend (bis Anfang 2002) angehoben werden. Zudem endet die Rückzahlungspflicht künftig spätestens mit Ablauf des auf die Geburt des Kindes folgenden 7. Kalenderjahres und damit acht Jahre früher als bisher. (APA)