Lesestoff:

Attac (Hg.): "Wir bauen Europa neu. Wer baut mit? Alternativen für eine demokratische, soziale, ökologische und friedliche EU", 222 Seiten, 16,90 Euro, Residenz Verlag

Foto: attac

Alte Strukturen niederreißen und einen neuen Bauplan für die EU vorlegen. Das versucht der Sammelband "Wir bauen Europa neu. Wer baut mit?". Herausgeber ist die globalisierungskritische NGO Attac.

Die Ausgangsthese des Sammelbandes: Die EU in ihrer derzeitigen Form ist nicht nur nicht in der Lage, einen Weg aus der derzeitigen Wirtschaftskrise zu weisen, sondern hat im Gegenteil auch maßgeblich zu ihrer Entstehung beigetragen. Wirtschaftliche Interessen seien vor sozialen und ökologischen gestanden. Demokratisierung und Dialog über die Ziele der EU haben nicht stattgefunden. Das soll sich ändern - und dazu will das Buch einen Beitrag leisten.

Konvent für die Zukunft

Attac-Mitglieder und Unterstützer legen im ersten Teil des Buches ihre Vision einer besseren Europäischen Union vor: Christian Felber, Autor und Gründungsmitglied von Attac-Österreich, beschreibt seine Vorstellung einer demokratischeren EU. Ein neuer Konvent soll einen neuen Vertrag erarbeiten. Das Parlament bekommt mehr Macht und es gibt die Möglichkeit einer EU-weiten Volksabstimmung.

Petra Ziegler, Attac-Vorstandsmitglied, schreibt über die negativen Auswirkungen des Standortwettbewerbs. Soziale Errungenschaften wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit der Drohung eines Standortwechsels aufgeweicht. Ausgehend von der Beschreibung der Ist-Situation entwirft Ziegler alternative Wege aus der Wirtschaftskrise. In deren Mittelpunkt nicht mehr der Wettlauf um geringe Lohnnebenkosten steht, sondern solidarische, ökologische Kriterien ebenfalls mitbedacht werden. Weitere Themen sind die europäische Handels- und Agrarpolitik und die EU als Friedensprojekt.

Europa der Europäer

Im zweiten Teil sind Autoren aus Wissenschaft, Politik und Diplomatie eingeladen ihre persönliche Vision einer zukünftigen, besseren EU zu beschreiben. So schreibt Freda Meißner-Blau, die erste Vorsitzende der österreichischen Grünen, in ihrem Beitrag gegen den Entwurf eines neoliberalen Europa an. Sie plädiert für ein soziales, atomfreies, ökologisch nachhaltiges Gemeinschaftsmodell und wünscht sich ein Europa, das die Ängste und Sogen seiner Bürger berücksichtigt. Nur so könne ein Europa der Europäer entstehen.

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, sorgt sich um die Zukunft des Friedensprojekts Europa. Die EU soll sich inner- und außerhalb ihrer Grenzen für die Umsetzung der Menscherechte in allen Lebensbereichen einsetzen und sich nicht hinter den Burgmauern der "Festung Europa" verschanzen.

Das Buch ist Ideensammlung und Denkanstoß für ein anderes Europa. Oder wie Meißner-Blau es in ihrem Beitrag formuliert: "Utopien sind keine Fantasiegebilde, sie sind die Tatsachen von Morgen, so wie die Utopien von gestern unsere Lebenswirkichkeiten von heute sind." (red, derStandard.at, 13.3.2009)