Zur Person

Strategin und Organisations - und Produktentwicklerin Jeanny Gucher ist Geschäftsführerin des BusinessLab. Sie ist Autorin des Buches "The Pentagon Challenge. Das Management des Ausnahmezustands".

Foto: © BusinessLab

derStandard.at: Die Krise ist in aller Munde, wie sehen Sie die Situation für die Beraterbranche?

Gucher: Wir begleiten als Unternehmensberater Unternehmen durch Veränderungsprozesse. Gerade unsere Branche - Beratung und Training - bekommt die Krise schon sehr unmittelbar zu spüren. Einerseits, weil Firmen nach Möglichkeiten suchen, wo sie ihrer Meinung nach am besten einsparen können. Da streicht man gerne einen Teil des Bildungsbudgets oder stoppt Projekte, die eigentlich zur Weiterentwicklung des Unternehmens initiiert wurden.

derStandard.at: Welche Prognose haben Sie für den Stellenmarkt?

Gucher: Es ist schwer Prognosen abzugeben, aber am Arbeitsmarkt ist beobachtbar, dass momentan Konzepte wie Leiharbeit oder Zeitarbeitskräfte massiv unter der Krise leiden. Es ist eine erste Welle gekommen, auf Kurzarbeitskonzepte umzusteigen. Sollte die Krise schon Mitte oder Ende dieses Jahres ein Ende nehmen, wird vielleicht nicht mehr viel passieren am Arbeitsmarkt. Sollte sie länger andauern, wird es nicht bei diesen Maßnahmen bleiben.

derStandard.at: Sie beraten auch EPUs und Start-Ups - wie geht es ihnen in der Rezession?

Gucher: Sie haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Großen. Ich glaube, dass derzeit ein hoher Grad an Unsicherheit herrscht und die Unfähigkeit etwas zu prognostizieren, Risikoabschätzung zu machen. Die Problematik, die bei den Ein-Personen-Unternehmen dazu kommt, ist, dass ihr Handlungsspielraum - im Sinne von Liquidität und Ressourcenkapazität - wesentlich begrenzter ist. Wenn etwas schief geht, beeinflusst das das alltägliche Leben viel mehr als bei den Großen.

derStandard.at: Wo setzten Sie nun in der Unternehmensentwicklung an, was raten Sie Firmen?

Gucher: Jetzt ist es höchste Zeit, Wert auf die Entwicklung und Weiterentwicklung im Unternehmen zu legen. Ich glaube viele haben das Gefühl dazu gezwungen zu sein, sich über neue Märkte, neue Vertriebsstrukturen, neue Strategien, neue Managementsysteme Gedanken machen zu müssen und haben Angst damit noch mehr Unsicherheit ins Unternehmen zu bringen. Ich bin aber überzeugt, dass das das Richtige wäre - nämlich eine gezielte Weiterentwicklung in der Krise. Um das Unternehmen genau in solchen Ausnahmezuständen flexibel und handlungsfähig zu machen

derStandard.at: Sie haben ja auch ein eigenes Krisenlab. Worum geht es da?

Gucher: Wir setzten uns schon viele Jahre mit dem Management des Ausnahmezustandes auseinander. Der erste Schritt ist zu verstehen, dass es nicht darum geht den Ausnahmezustand zu beenden, denn das kann eine einzelne Abteilung oder ein einzelnes Unternehmen nicht. Die Frage ist vielmehr: Wie manage ich?

derStandard.at: Was macht denn Menschen in solchen Ausnahmesituationen produktiv oder unproduktiv?

Gucher: Wir haben viel Forschung und Entwicklung hineininvestiert, um genau das zu ergründen. Welche Rahmenbedingungen kann man auch in schwierigen Ausnahmesituationen so stabilisieren, dass sich die Menschen wieder gut auf ihre Arbeit konzentrieren können?

derStandard.at: Wie geht das?

Gucher: Es gibt vier Dimensionen, die bedacht werden müssen. Schnell und geübt sind die meisten bei strukturellen Anpassungen. Dann gibt es die motivationale Dimension: Denn momentan leidet die Motivation nicht nur jener, die gehen müssen, sondern auch derer, die bleiben, weil sie ihre Gedanken woanders haben, auf ihre Angst und Unsicherheit konzentriert sind. Sie müssen in einen Motivationszustand geführt werden, der sie wieder produktiv macht. Das Dritte ist die soziale Dimension: Wir arbeiten in Gruppen, Teams, Organisationen und Netzwerken. Es stellt sich die Frage, ob es zu einer Machtausübung kommt um den eigenen Sessel zu retten oder ob ich es schaffe gemeinsam einen anderen Wert auf das soziale Miteinander zu legen.

Man sollte darauf schauen, dass die ganzen kampf-orientierten Dynamiken und Konflikte aus den Teams heraus genommen werden, weil sie viel Energie rauben. Der vierte Punkt ist die Kultur. Im Ausnahmezustand bricht die Kultur weg und es kommt zu großer Verunsicherung bis zu chaotischen Zuständen, die zum Recht des Stärkeren führen - die Dominanteren setzen sich dann durch. Das ist nicht produktiv. Es geht darum eine neue Kultur der Verantwortung zu finden. Diese Frage ist besonders für die Führungskräfte interessant. Denn nach unseren Beobachtungen ist es so, dass das Verhalten der Führungskräfte massiv darauf Einfluss nimmt, wie die Gesamtorganisation damit umgeht.

derStandard.at: Glauben Sie, dass Führungskräfte derzeit aggressiver sind, mehr Konflikte zu Tage treten?

Gucher: Der Ausnahmezustand kann bewirken, dass es zu einem Permanentkonflikt kommt. Und natürlich sind diese Effekte jetzt beobachtbar - stärker oder schwächer. Es geht aber darum daraus wieder etwas Produktives zu machen - ohne der Illusion zu verfallen, dass ich alles ändern kann. Aus der Perspektive der Organisationsentwicklung galube ich, dass diese große Krise auch eine ebenso große Chance birgt.

derStandard.at: Warum?

Gucher: Weil sich Organisationen als Systeme ja nur verändern, wenn es einen Anlass gibt. Und die Krise ist ein fulminanter Anlass Veränderungen zuzulassen. Nun ist ein guter Anlass mit den Menschen, die im Unternehmen bleiben sollen, eine bessere und produktivere Kultur und Struktur zu finden. (Marietta Türk, derStandard.at, 16.3.2009)