Für viele kommt er plötzlich und unerwartet: der Herzinfarkt. Insbesondere für jüngere Betroffene und deren Angehörige und Bekannte sind Herzattacken unerklärlich. Im Bewusstsein der Bevölkerung nach wie vor als typisch männliche Alterserscheinung verankert, widerspricht das Bild auf Akutstationen kardiologischer Spitalsabteilungen oft dieser Ansicht. Wie es scheint, werden zunehmend jüngere Patientinnen und Patienten nach einem Herzinfarkt von Internisten behandelt: Frauen und Männer unter 40 Jahren. Steigt die Zahl junger Menschen mit Herzinfarkten tatsächlich an?
"Statistische Zahlen darüber liegen mir nicht vor. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass die Zahl in den vergangenen fünf bis zehn Jahren angestiegen ist", erklärt Gerald Maurer, Leiter der Abteilung Kardiologie und Vorstand der Universitätsklinik für Innere Medizin II am Wiener AKH. Auch Margarete Hochleitner, Kardiologin und Vizerektorin der Medizin-Universität Innsbruck, "kann nicht schwören, dass es mehr geworden sind" - zumindest nicht in epidemiologischer Hinsicht, also gemessen an der Gesamtzahl.
Frauen haben untypische Symptome
Wohl aber räumt die Tiroler Herzspezialistin ein, dass "vermutlich etliche der jungen Herzinfarktpatienten, die heute behandelt werden, vor zehn Jahren wahrscheinlich nicht in einem Spital therapiert worden wären - weil man damals gar nicht an einen Infarkt gedacht hat. Dies betreffe vor allem jungen Frauen mit Herzinfarkt."
Lange Zeit habe sich das Paradigma gehalten, dass Frauen frühestens nach den Wechseljahren einen Herzinfarkt bekommen könnten. Nicht zuletzt deshalb, weil die entsprechenden Symptome anders seien, klärt Hochleitner auf. Im akuten Infarktfall zeigen Frauen oft untypische Beschwerden. Besonders jüngere Frauen bekommen beispielsweise eher Rücken- und Nackenschmerzen sowie Kiefer- und Halsschmerzen als die bei Männern feststellbaren typischen Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen, und Atembeschwerden.
Heute seien sowohl Ärzte als auch die Bevölkerung besser über Symptome und Risikofaktoren aufgeklärt, und es stünde auch bessere Diagnostik zur Verfügung, deshalb würden laut der Kardiologin zunehmend auch Fälle behandelt, die man vor zehn Jahren vielleicht noch als hypochondrisch nach Hause geschickt hätte. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen fünf und zehn Prozent aller Herzinfarkte Menschen im Alter unter 40 Jahren betreffen. Was aber sind die Gründe dafür?
Die Risikofaktoren
"Jüngere Menschen, die wir hier an der Klinik nach einem Herzinfarkt behandeln, egal ob Frauen oder Männer, sind so gut wie immer Raucher", stellt der Wiener Internist fest. "Der zweite große Risikofaktor ist der Diabetes." Diabetes vom Typ 2 habe sich inzwischen zu einer weltweiten Epidemie ausgewachsen, erklärt Maurer. Immer mehr junge Menschen entwickelten sich aufgrund falscher Ernährung und dem damit einhergehenden Übergewicht zu Diabetespatienten.
Frauen seien in diesem Zusammenhang generell zusätzlichen Infarkt-Risikofaktoren ausgesetzt, weil sie häufiger als Männer an Diabetes, Bluthochdruck und Angina Pectoris erkranken, meist jedoch in späterem Alter.
"Frauen sind bis zur Menopause hormonell geschützt. Daher treten die meisten Infarkte auch etwa zehn Jahre später auf als bei Männern. Dies wiederum bedeutet aber, dass aufgrund des meist höheren Alters Frauen bei Infarkten eine schlechtere Prognose haben", schildert Maurer. Eine der großen Gefahren sei die Kombination von hormonellen Kontrazeptiva und Rauchen. Bei den jungen Herzinfarktpatienten sei die Anzahl von Frauen aber nach wie vor viel geringer als die von Männern. Allerdings erklärt Maurer: "Wenn junge Frauen mit einem Herzinfarkt ins Spital kommen, dann liegt meist eine besorgniserregende Grundkonstitution vor. Dann kommen viele Risikofaktoren zusammen. Es versagt der körpereigene hormonelle Schutz, und die Prognosen sind relativ schlecht."
Hochleitner merkt in diesem Zusammenhang noch an, dass sie entgegen den aktuellen Zahlen der Gesundheitsstatistik sehr wohl eine Risikoverschiebung zulasten der Frauen, insbesondere der jüngeren Frauen, vermutet. "Es hat sich nämlich das Rauchverhalten verändert. Während immer mehr ältere Menschen mit dem Rauchen aufhören, fangen bei den jüngeren immer mehr Mädchen und Frauen damit an." Außerdem, erklärt die Kardiologin, seien die von der Statistik Austria herausgegebenen Daten eine reine Totenscheinstatistik, zu der anzumerken sei, dass in rund 40 Prozent der Todesfälle in Österreich keine Obduktion durchgeführt werde. Wie also exakt eruieren?
Hochleitner bringt auch noch familiäre, also vererbbare Risikofaktoren ins Spiel, die bei Frauen zwar ausgeprägter seien, insgesamt jedoch nur einen kleinen Faktor ausmachten - wie klein, beziffert Maurer: "Die moderne Molekularbiologie findet ständig neue genetische Marker, die mit dem Herzinfarktrisiko in Zusammenhang gebracht werden. Dies ist zwar wissenschaftlich interessant, hat jedoch derzeit kaum klinische Relevanz. Die konventionellen Risikofaktoren erklären zu etwa 90 Prozent das Auftreten von Herzinfarkten."
Prävention statt Intervention
Diese seien neben dem Rauchen und dem Diabetes erhöhter Blutdruck, erhöhte Cholesterin- und Blutfettwerte. Daher sei insbesondere in der Prävention die Adaptierung des Lebensstils von entscheidender Bedeutung.
Apropos Prävention: Zahlreiche Ärzte in Österreich schwören hier auf Aspirin. Dazu Internist Maurer: "Wer kein erhöhtes Herzinfarkt- oder Schlaganfallrisiko hat, dem kann ich Acetylsalicylsäure nicht empfehlen. Wer aber Probleme hat, der kann sicherlich mit täglich 75 oder 100 Milligramm Aspirin eine blutverdünnende und damit eine prophylaktische Wirkung erzielen. In solch geringen Dosen ist die Gefahr für den Magen auch geringer." Jedenfalls sollte man sich vor einer langfristigen Einnahme von Aspirin mit seinem Arzt beraten. (Andreas Feiertag, DER STANDARD Printausgabe, 16.03.2009)