Zwei Tage nach dem Amoklauf von Winnenden in Deutschland ist die Herkunft einer angeblichen Ankündigung der Bluttat im Internet zunächst weiter rätselhaft geblieben. Es werde überprüft, ob es sich um einen tatsächlichen Eintrag von Tim K. oder eine Fälschung handle, teilte die Polizei am Freitag mit. Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) geriet wegen seiner Informationspolitik unter Druck.

Bluttat in einem Internet-Chat angedeutet

Rech hatte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz gesagt, der Amokläufer habe die Bluttat in einem Internet-Chat angedeutet. Dies stellten die Ermittler aber wenig später in Frage. Nach Angaben des Waiblinger Polizeisprechers Klaus Hinderer wurde auf dem Computer des Täters keine solche Ankündigung verfasst. Die Ermittler gingen deshalb laut Polizei eher von einer Fälschung als einer echten Botschaft aus.

Für die Echtheit spreche allerdings, dass zwei Zeugen unabhängig voneinander den Eintrag Stunden vor der Tat gelesen und kommentiert haben wollen, sagte Hinderer. Deren Aussagen würden überprüft. Für eine Fälschung spreche wiederum auch das Dementi des Server-Betreibers des Internet-Forums krautchan.net in den USA. Zudem habe Tim K. seinen PC in der Nacht zum Mittwoch gegen Mitternacht, also vor dem Zeitpunkt des vermeintlichen Internet-Eintrags, abgeschaltet.

Prüfung

Die Polizei prüfte nun, ob Tim K. die Botschaft von einem anderem Computer aus versendet haben könnte. Darauf gab es laut Hinderer aber zunächst keine Hinweise. Klarheit sollten die Daten des Server-Betreibers schaffen. Die US-Behörden wurden den Angaben zufolge gebeten, alle Informationen auf dem Server der Firma sicherzustellen.

Die baden-württembergische SPD warf Minister Rech vor, Fehlinformationen zu verbreiten. "In solchen Fällen geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit", sagte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel nach Angaben eines Sprechers. Dass eine womöglich falsche Information weltweit verbreitet worden sei, sei "peinlich".

Rech verteidigte sein Vorgehen. Zum Zeitpunkt der Pressekonferenz seien die Ermittlungsbehörden überzeugt gewesen, dass der Täter seinen Amoklauf angekündigt habe. Es sei richtig gewesen, die Öffentlichkeit zu informieren. Sollten sich die Zweifel an der Echtheit des Chat-Eintrags bestätigen, müsse sorgfältig über Konsequenzen nachgedacht werden. "Es kann und darf nicht sein, dass auf so skrupellose und menschenverachtende Weise die Gefühle der trauernden Angehörigen mit Füßen getreten werden", erklärte Rech.

"Wir nehmen die Betroffenen einfach in den Arm und bieten bei Bedarf Hilfe an."

Am Freitag wurden noch sieben Opfer des Amoklaufs im Krankenhaus behandelt. Der Zustand der fünf Schüler und zwei Polizisten sei nicht lebensbedrohlich, sagte Hinderer. Einige der Schüler zwischen 14 und 17 Jahren hätten Schussverletzungen erlitten. Andere hätten sich auf der Flucht Knochenbrüche zugezogen. Tim K. hatte 15 Menschen getötet und sich am Ende seiner Flucht selbst erschossen.

Um die Hinterbliebenen und die Mitschüler kümmert sich ein Team aus rund hundert Notfallbetreuern und Seelsorgern. Nach der ersten Schockphase kämen nun die Emotionen durch, sagte eine Betreuerin des Deutschen Roten Kreuzes. "Wir nehmen die Betroffenen einfach in den Arm und bieten bei Bedarf Hilfe an." Die Leichen der 15 Opfer des Amokschützen wurden in einem Krankenhaus aufgebahrt, so dass ihre Angehörigen sich von ihnen verabschieden konnten.

Nach Angaben der Schulbehörde wird der Unterricht für die Schüler der Albertville-Realschule auch in nächste ausfallen. Allerdings soll es in umliegenden Schulen ein Betreuungsangebot geben, an dem Psychologen teilnehmen. Wann der reguläre Schulbetrieb wieder aufgenommen werde, sei unklar.

Unterdessen hielten mehrere Trittbrettfahrer die Polizei in Atem. Im niedersächsischen Schneverdingen wurde ein 21-Jähriger festgenommen, der am Donnerstagabend einen Amoklauf an seiner Schule angedroht hatte. Im baden-württembergischen Ilsfeld wurde eine Realschule gesperrt, nachdem ein Unbekannter einen Amoklauf im Internet angekündigt hatte. (APA)