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Zur Person

Nino Burdschanadse (44) war von 2001 bis 2008 georgische Parlamentspräsidentin und dazwischen zweimal Übergangspräsidentin ihres Landes. Mit ihrem früheren politischen Weggefährten, dem jetzigen Präsidenten Michail Saakaschwili, zer stritt sie sich 2008. Burdschanadse steht seit Dezember der neu gegründeten Demokratischen Partei vor.

Foto: AP /Shakh Aivazov

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Michail Saakaschwili (li.) in Brüssel: Ermahnungen von Kommissionschef José Manuel Barroso schlug er in den Wind.

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"Europa endet, wo Demokratie endet" Die georgische Oppositionspolitikerin Nino Burdschanadse sieht die Zukunft ihres Landes in der EU und jedenfalls ohne Präsident Saakaschwili, sagte sie zu Christoph Prantner.

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STANDARD: Sie werden am Sonntag in Wien über die Grenzen Europas diskutieren. Wo sehen Sie denn ein Limit in der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union?

Burdschanadse: Es ist kleinkariert, ausschließlich über Grenzen und Limitierungen zu sprechen. Europa ist ein Projekt von Werten, von Freiheit und von Rechtsstaatlichkeit. Europa endet dort, wo die Demokratie endet.

STANDARD: Das ist eine sehr großzügige Auslegung, die EU-Strukturen sind schon jetzt überbeansprucht.

Burdschanadse: Das mag schon sein. Für die an die Union angrenzenden Länder allerdings gibt es bisher nur die Nachbarschaftspolitik als Annäherungsinstrument, das ist keine Perspektive für Georgien.

STANDARD: Die Annäherung Ihres Landes hängt nicht zuletzt von der Stimmung im Kreml ab. Und die ist derzeit schlecht in diesen Dingen.

Burdschanadse: Russland hat sehr viel Einfluss in Brüssel. Ich kann nachvollziehen, dass Moskau ein Problem mit der angestrebten Nato-Mitgliedschaft Georgiens hat. Aber mit einer EU-Mitgliedschaft? Außerdem würden wir ja nicht in allernächster Zukunft beitreten.

STANDARD: Ist der Einfluss Moskaus in Tiflis nicht noch größer?

Burdschanadse: Moskau hat keinen politischen Einfluss in Georgien. Unsere Bevölkerung ist äußerst westorientiert. Die Differenzen mit den Russen können wir nur in einem gemeinsamen unvoreingenommenen Dialog lösen.

STANDARD: Dafür hat Moskau beträchtlichen militärischen Einfluss auf Georgien. Es gibt die beiden abtrünnigen Regionen, der Krieg im August hatte verheerende politische und militärische Folgen für Tiflis.

Burdschanadse: Wir haben der Regierung von Präsident Michail Saakaschwili einen Katalog von 43 Fragen vorgelegt, die klären sollen, was im August genau passiert ist. Wie es zu dem Angriff, zu Übergriffen georgischer Streitkräfte auf ossetische Zivilisten und dergleichen kommen konnte. Bisher haben wir keine ausreichende Antwort darauf bekommen. Ich kann nur sagen, dass alle - Europäer wie Amerikaner - Saakaschwili vor einer Konfrontation mit Moskau gewarnt haben. Ich selbst war noch im Juli bei Sitzungen anwesend, in denen der Präsident beschworen wurde, sich nicht provozieren zu lassen. Wenige Wochen später waren wir im Krieg mit der russischen Armee. Saakaschwili und seine Regierung haben in vielerlei Hinsicht kriminell gehandelt.

STANDARD: Sie haben den Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert und für Anfang April zu einer Großdemonstration in Tiflis aufgerufen. Muss man wieder mit einer Revolution in Georgien rechnen?

Burdschanadse: Die Regierung versucht täglich, politische Gegner zu desavouieren und mit allen möglichen Mitteln, auch ungesetzlichen, einzuschüchtern. Wir halten uns dagegen an die Verfassung und werden friedlich protestieren. Zu Demonstrationen aufzurufen, ist nicht gegen das Recht und gegen die Demokratie. Wenn etwas passiert, dann wird es von der Regierung inszeniert sein. Ich bin nicht für Revolutionen und ich war auch nie dafür. Hoffentlich ist Präsident Saakaschwili vernünftig genug, auf sein Volk zu hören. Können Sie sich ein Land vorstellen, in dem ein Politiker 20 Prozent der Landesfläche verliert und das ohne Konsequenzen bleibt?

STANDARD: Was soll mit den beiden abtrünnigen Regionen Abchasien und Ossetien geschehen, wie wollen Sie mit den Russen umgehen?

Burdschanadse: Es gibt immer noch einen Chance, diese Konflikte zu lösen. Es wird sehr schwierig sein, aber Schritt für Schritt können wir wieder Brücken bauen und sicherstellen, dass wir alle wieder gleichberechtigt in einem Land leben wollen. Für diesen Dialog brauchen wir eine vertrauenswürdige Regierung.  (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.3.2009)