Das Team von Bongfish.

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Die Computer- und Videospielbranche ist auch in Zeiten der Wirtschaftskrise weiterhin auf Rekordkurs. Wer aber glaubt, dass lediglich die großen internationalen Player die Trends am boomenden Markt bestimmen, wird durch das österreichische Entwicklerstudio Bongfish eines Besseren belehrt. Die in Graz beheimatete Spieleschmiede hat am 24. Februar ihre erste Produktion für eine der großen Mainstream-Konsolen veröffentlicht. "Stoked", so der Titel des für die Xbox 360 erschienenen Snowboardspiels, punktet dabei vor allem durch seinen hohen Realitäts- und technischen Innovationsgrad bei der wachsenden Gamer-Community.

Die Nachrichtenagentur pressetext traf die beiden Bongfish-Geschäftsführer Michael Putz und Klaus Hufnagl-Abraham bei einem Lokalaugenschein in den Grazer Räumlichkeiten des Game-Studios, um sich selbst ein Bild von Alltag und Situation der Spieleentwickler in Österreich zu machen.

Frage: Welche Bedeutung hat die Veröffentlichung von "Stoked" für Bongfish?

Putz: Die Veröffentlichung des Xbox-360-Titels ist ein immens wichtiger Schritt für Bongfish. Damit steigen wir endgültig in den Mainstream-Konsolenmarkt ein, der als die Königsklasse unter den Videospielen gilt.

Frage: Ist die Produktion eines Titels für Xbox 360, Playstation 3 oder Nintendo Wii aus Entwicklersicht besonders interessant?

Putz: Konsolen sind sicherlich das schönste Einsatzgebiet für Spieleentwickler. Probleme mit den unterschiedlichen Systemanforderungen wie im PC-Bereich fallen hier aufgrund der besser genormten Hardware von vornherein weg. Gleichzeitig gibt es aber auch hohe Erwartungen der Spieler-Community und enorme Einstiegshürden für Entwickler wie etwa die erforderliche Zertifizierung durch den Plattform-Betreiber.

Frage: Bislang gab es keine österreichischen Entwicklerstudios, die Spiele für die großen drei Konsolenhersteller veröffentlicht haben. Woran liegt das?

Hufnagl-Abraham: Im Fall von Xbox-360-Produktionen prüft Microsoft zunächst sehr genau, ob ein Studio personell und fachlich überhaupt dazu in der Lage ist, ein internationales Produkt für eine Next-Generation-Konsole zu entwickeln. Doch auch wenn die Zertifizierung erfolgreich ist, muss man sich erst einmal den notwendigen Developer-Kit leisten können, der von den Plattform-Betreibern nicht gerade billig angeboten wird.

Frage: Wie stellt sich die aktuelle Situation für Spieleentwickler in Österreich dar?

Hufnagl-Abraham: Österreich ist prinzipiell ein guter Standort für Spieleentwickler. Wir sitzen im Zentrum Europas und verfügen über sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten. Durch Universitäten und Fachhochschulen, die Auszubildenden das nötige Know-how vermitteln, sind auch genügend qualifizierte Arbeitskräfte vorhanden. Das Umfeld ist also eigentlich nicht so schlecht, wie manche annehmen. Gleichzeitig muss man aber auch feststellen, dass es innerhalb der heimische Branche eindeutig an Kooperationswillen mangelt.

Putz: Das ist ein spezifisch österreichisches Problem. Die heimische Entwicklerszene, die sehr klein und überschaubar ist, ist von einem unnötig übertriebenen Konkurrenzdenken geprägt. Jeder hat Angst, etwas von sich hergeben zu müssen und gönnt dem anderen keinen Erfolg.

Frage: Spieleentwickler galten in der Öffentlichkeit lange Zeit als Fast Food verschlingende Nerds, die ganze Nächte vor dem PC-Bildschirm verbringen. Wie sieht der Arbeitsalltag eines Game-Entwicklers heute aus?

Putz: Diese Klischeevorstellung trifft mittlerweile längst nicht mehr zu. Wir geben unseren Entwicklern recht strikte Zeitpläne vor, nach denen sie ihre Arbeit richten müssen. Es bringt nichts, wenn jeder einzeln vor sich hinarbeitet. Die richtige Koordination und Planung ist wichtig, denn schließlich muss ein Spiel ja auch einmal fertig werden. Das soll aber nicht heißen, dass heute keine Kreativität mehr bei der Spieleentwicklung gefragt ist. Auch trotz der recht strikten Vorgaben lassen wir unserem Team zwischendurch Zeit für kreative Experimente.

Hufnagl-Abraham: Das Ausmaß der Arbeitsstunden hängt stark von der jeweiligen Projektphase, in der sich eine Produktion gerade befindet, und der persönlichen Aufgabe des Betroffenen ab, die er im Zuge der Spieleentwicklung zu erledigen hat. Während etwa ein Grafikdesigner zumeist eher geregelte Arbeitszeiten hat, sind diese bei Teamleadern, die für einen ganzen Bereich der Entwicklung verantwortlich sind, oft deutlich unregelmäßiger. Im Normalfall arbeiten unsere Entwickler aber nicht länger als andere Arbeitnehmer.

Frage: Welche Voraussetzungen muss ein angehender Spieleentwickler erfüllen?

Putz: Primär ist natürlich ein großes Interesse an Computerspielen wichtig. Damit ist allerdings nicht nur das Spielen an sich gemeint, sondern auch eine besondere Neugier für die im Hintergrund von Game-Produktionen ablaufenden Prozesse und Aufgaben. Mit einer starken persönlichen Affinität zum Thema ist allerdings erst rund die Hälfte der erforderlichen Voraussetzungen gegeben. Der restliche Teil besteht aus einem gewissen fundierten Grundwissen, das möglichst dem aktuellen internationalen Entwicklungsstand der Branche entsprechen sollte, und einer fachspezifischen Ausbildung.

Frage: Chris Chiu, Programmierer bei Sproing hat in einem Interview gemeint, dass vielen noch gar nicht bewusst sei, dass Spieleentwickler überhaupt ein echter Beruf sei. Als Grund nannte er die "fehlende gesellschaftliche Akzeptanz" der Games-Branche. Teilen Sie diese Einschätzung?

Putz: Diese Auffassung ist meiner Meinung nach bereits veraltet. Sicher wird es auch heute noch das eine oder andere Mitglied der älteren Generation geben, das so denkt. Insgesamt gesehen hat sich aber in puncto gesellschaftlicher Akzeptanz unseres Berufs in den vergangenen paar Jahren einiges getan.

Hufnagl-Abraham: Die Studenten, die sich heute als Spieleentwickler versuchen wollen, denken da ganz anders. Sie sehen sich in erster Linie als spezialisierte Techniker, deren Aufgabe es ist, eine stabil laufende Software zu entwickeln. Ob dieser Techniker nun ein Auto zusammenbaut oder ein Computerspiel, ist dabei vollkommen nebensächlich.

Frage: Die Computer- und Videospielebranche ist nicht nur einer der weltweit größten Wachstumsmärkte, sondern erzielt mittlerweile höhere Umsätze als die Filmindustrie Hollywoods. Gleichzeitig müssen große Spiele-Studios wie Electronic Arts Umsatzeinbußen und Job-Kürzungen hinnehmen. Fällt es einem kleineren Entwicklerstudio wie Bongfish derzeit leichter in der hart umkämpften Spiele-Branche zu überleben?

Hufnagl-Abraham: Im Moment schon. Mit der von uns im eigenen Haus entwickelten Grafik-Engine und dem neuen Snowboardspiel haben wir ja auch frische Produkte im Angebot. Ein Großteil der Publisher ist über lange Zeit kein Risiko mehr eingegangen, was die Etablierung neuer Games-Marken betrifft. Stattdessen verließ man sich gerne auf bereits erfolgreich erprobte Marken oder setzte auf Videospielumsetzungen von Filmvorlagen. Erst in den vergangenen paar Jahren ist dieses Schema wieder etwas aufgebrochen.