Wien/Tiflis - Während die Nato mehr als ein halbes Jahr nach dem Krieg im Kaukasus ihr Verhältnis zu Russland normalisiert, schwindet die Machtbasis von Mikhail Saakaschwili in schnellem Tempo. Gefolgsleute des georgischen Präsidenten, dem zumindest die unmittelbare Verantwortung für den Kriegsausbruch im August 2008 und die rasche Niederlage gegen die russische Armee angelastet wird, haben in den vergangenen Wochen in Serie das Regierungslager verlassen.

Der frühere Premierminister Surab Nogaideli (2005-2008) nennt seinen ehemaligen Mentor nun einen „Verbrecher", den bisherigen OSZE-Botschafter Dolidse hat es nicht länger auf seinem Posten gehalten, die ehemalige Parlamentspräsidentin und Mitanführerin der Rosenrevolution von 2003, Nino Burdschanadse, - sie wird am Sonntag an der 1989-Diskussionsreihe des Standard im Burgtheater in Wien teilnehmen - hat zusammen mit sieben anderen Oppositionsparteien zu einer Massendemonstration Anfang April aufgerufen, um Saakaschwili zu stürzen.

Gegenspieler

Zum gewichtigsten Gegenspieler Sakaaschwilis ist mittlerweile der frühere UN-Botschafter und ehemalige Chef der von Tiflis unterstützten abchasischen Exilregierung, Irakli Alasania, geworden. Alasania, wie die meisten Politiker der Rosenrevolution gerade einmal Mitte 30, ließ mit realistischen Aussagen über den dauerhaften Verlust der beiden georgischen Separatistengebiete Abchasien und Südossetien, aufhorchen; eine Korrektur der kompromisslosen Politik Georgiens gegenüber Moskau sei notwendig.

Der jüngste Ausfall im Lager des Präsidenten dagegen ist der erst vor einem Monat ernannte, als sehr kompetent geltende Armeechef Wladimir Chachibaja; der in den USA ausgebildete General schmiss vergangene Woche im Streit um Einflussnahmen bei seinen Personalentscheidungen die Brocken hin und ließ sich auf den weithin dekorativen Posten eines Vizeverteidigungsministers verschieben - wie lange er dort bleibt, ist ungewiss.

Konfliktlösung

Substanzielle Kritik an äußerte auch Georgiens frühere Außenministerin Salome Surabischwili, die als Exil-Georgierin und französische Botschafterin in Tiflis nach der Revolution im November 2003 das Ministeramt übernahm. Der Krieg im Sommer 2008 hätte vermieden, die Möglichkeiten für eine Konfliktlösung hätten besser ausgelotet werden können, sagte Surabischwili vergangene Woche bei einer nicht-öffentlichen Konferenz der Landesverteidigungsakademie in Wien zu den Sezessionskonflikten in Georgien: „Es gab nur verpasste Chancen, ich kann keine positiven Momente erkennen."

Verwaltungsgrenze

Surabischwili, eine entschiedene Gegnerin Russlands und der russischen Kaukasuspolitik, nannte eine Reihe folgenreicher Fehlentscheidungen der georgischen Führung, die Möglichkeiten für einen langfristigen Ausgleich mit den Separatisten verbauten. Einige dieser Entscheidungen, wie etwa die Schließung des riesigen Markts von Ergneti an der Verwaltungsgrenze zwischen Südossetien und dem georgischen Kernland im Frühjahr 2004, hat sie allerdings selbst mitgetragen. „Die Schließung von Ergneti war ein Desaster", meinte die Ex-Außenministerin nun, denn der Markt, auf dem hauptsächlich Schmuggelware aller Art aus Russland umgeschlagen wurde, diente als Wirtschafts- und Kontaktbasis von Georgiern und Osseten. „Auf menschlicher Ebene war der Konflikt in Südossetien bis dahin gelöst gewesen", erklärte Surabischwili.

Zumindest für die Südosseten ist er das nach dem Krieg, der Vertreibung der georgischen Bewohner und der Anerkennung der Provinz als unabhängigen Staat durch Russland heute auch. „Für mich ist der Konflikt gelöst, zumindest auf die nächsten Jahre hinaus", stellte Alan Pastajarew, Direktor einer NGO in Zchinwali, bei der Konferenz der Verteidigungsakademie schlicht fest - „die russische Armee ist da, um mich zu beschützen." (Markus Bernath, 14.3.2009)