Der "Fake-Inder" auf Facebook hat rund 1.750 Freunde.

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600 Fans zählen auf den "Hausverstand".

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Mark Zuckerberg gründete Facebook im Jahr 2004. Der 24-Jährige hält 30 Prozent an der Plattform.

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"Werden wir verarscht?", fragt sich eine Userin auf Facebook. Sie ist eine von 1.755 Freundinnen des Inders. Die meisten haben aber noch keinen Verdacht geschöpft. Sie drücken dem Inder "die Daumen bis sie blau sind" und "voten für ihn bis zum Akkutod". So oder ähnlich lesen sich viele Einträge auf der Facebook-Pinnwand des Werbeinders. Das telering-Testimonial ist zu einer Kultfigur avanciert und als Protagonist der ORF-Show "Dancing Stars" kann Ramesh Nair seine Fangemeinde weiter vergrößern. Der Inder ist eine Art "Prestige-Freund". "Danke fürs Bestätigen der Freundschaft" und "es ist mir eine Ehre" lauten die Kommentare.

Identifikationsfigur

Doch die Sache hat einen Haken. Der Inder auf Facebook ist gar nicht der Inder namens Ramesh Nair. Das bestätigt auch Michael Heine, Creative Director von Blink. Jener Agentur, die die Werbefigur kreiert hat. Wer hinter dem Fake-Profil auf dem Community-Portal steckt, wisse man nicht. "Wir haben das nicht selbst lanciert", sagt Heine zu etat.at. Eigentlich ist es auch egal. Was zählt ist, dass sich "so viele Leute damit identifizieren". Ein Zeichen, dass die Werbelinie funktioniert. Einen Grund zum Einschreiten sieht der Werber nicht: "Solange es ein Spaß ist und kein Missbrauch getrieben wird."

600 Freunde für den "Hausverstand"

Nicht ganz so populär wie der Inder ist der "Hausverstand". Auch er präsentiert sich auf Facebook. Rund 600 Freunde kann Billas personifizierte Werbelinie bis jetzt verbuchen. Eine so enthusiastische Fangemeinde wie der Inder hat er nicht. Es finden sich aber Einträge wie "Danke Hausverstand. Durch dich spare ich Tag für Tag Bares" oder "Danke für die am Samstag stattfindende Billa-Aktion". "Wir wissen nicht, wer den initiiert hat", sagt Manuela Graf von Dirnberger de Felice, der Werbeagentur des Lebensmittelhändlers. "Aber es ist schön, dass er existiert." Nicht mehr und nicht weniger, denn Graf sieht Facebook nicht als potenzielle Marketingmaschinerie. "Man kann hier nicht ernsthaft mit Kunden kommunizieren", glaubt sie.

470.000 Österreicher registriert

Ganz anderer Meinung ist Andreas Klinger von die.socialisten.at. Einer Agentur, die sich auf Online-Marketing in sozialen Netzwerken spezialisiert hat. "Wo eine enorme Zielgruppe da ist, sollte man als Marke hineingehen", meint er zu Facebook. Die Plattform vereint rund 470.000 österreichische User. Tendenz stark steigend: Ende Jänner waren es 300.000 Registrierte, vor genau einem Jahr erst 80.000. Facebook biete, so Klinger zu etat.at, viele Möglichkeiten zum Werben. Unternehmen könnten sich etwa über eigene Profile oder Gruppen darstellen. User deklarieren sich als "Freunde" oder "Fans". Perfekt, um Feedback von Kunden zu generieren oder eine Fanbasis aufzubauen, ist er vom Potenzial überzeugt.

Werbung als Service

Die Gruppe "Coca Cola" hat zum Beispiel knapp 3,3 Millionen Mitglieder. "Kommunikation über Unternehmen oder Marken findet sowieso statt", sagt Klinger. Über eine eigene Facebook-Seite könnten Firmen die Kommunikation auf einer Ebene kanalisieren. Der interaktive Charakter müsse im Mittelpunkt stehen. Marken sollten über Services und Veranstaltungen informieren oder Videos hochladen. Da Facebook ein virales Medium sei, verbreite sich das in der Community sehr schnell. "Werbung sollte Service sein, das man verwenden kann." Der Nutzen liege im Imagetransfer und dem Mehrwert für die User.

Fußball-Applikation

Klinger und seine Agentur erstellen eigene Applikationen, die in Facebook-Seiten integriert werden und zum Beispiel auf Subseiten verlinken oder externe Services bewerben. Für bild.de ging unlängst die Fußball-Applikation "mein Klub" online. Je nach Lieblingsklub befinden sich auf der Fanseite Videos, Spielpläne, Foren etc. "Nur ein Beispiel, was alles möglich ist", sagt Klinger und verweist auf Jobbörsen, die direkt auf dem Portal rekrutieren könnten oder Online-Shops, die mit ihrer Präsenz Kunden generieren. Facebook quasi als jedermanns Paralleluniversum, rundherum gruppiert sich das "reale" Leben.

"Verschenktes" Profil

Ambivalent fällt die Beurteilung von Siegfried Stepke zu österreichischen Facebook-Figuren wie dem "Hausverstand" aus. Stepke ist bei der Agentur e-dialog mit Online- und Suchmaschinenmarketing beschäftigt. Die Werbefigur repräsentiere auf Facebook best und worst case in einem. "Die Idee ist genial und das ist eine echte Identifikationsfigur", sagt er und bedauert, dass das Profil nicht professionell betreut wird. Der "Hausverstand" müsse mit den Leuten interagieren, Tipps geben. Einfach nur statisch Freunde zu sammeln, sei zu wenig. "So wird der Schuss nach hinten losgehen", prognostiziert er. Der Effekt halte sich in Grenzen.

600.000 Fans in zwei Tagen

"Unternehmen dürfen auf Facebook nicht einfach offensichtlich für ihre Produkte werben", sagt Stepke. Dies könne sogar kontraproduktiv sein. Reklame in Communitys müsse auf subtilerem Weg erfolgen. Als Beispiel für eine gute Facebook-Präsenz führt er die Fan-Seite vom SK Rapid an. "Hier gibt es viele Fotos, Infos zu den nächsten Spielen, Kommentare etc." Auf globaler Ebene hält Stepke den Auftritt von Nespresso für "sehr gelungen und professionell", da es "viele Infos, aktuelle Fotos, Daten zu Veranstaltungen" und Unterseiten zu einzelnen Produkten gibt. Gut gemacht seien auch die Seiten der beiden Modeketten H&M und Zara mit jeweils rund einer Million Fans. Ein typisch amerikanisches Phänomen sieht er beim Süßwarenhersteller Skittles: "Innerhalb von zwei Tagen konnten die 600.000 Fans gewinnen."

Userpräferenzen bekannt

Für Stepke sind soziale Plattformen wie Facebook oder MySpace der "Traum eines jeden Marketers". Bei Bannerwerbung könne man "super segmentieren". Zum Beispiel: "Bei einer Werbung für ein Christl-Stürmer-Konzert kann ich alle 18-bis 22-Jährigen auswählen, die eine Affinität zu Musik haben." Ein großer Vorteil sei, dass viele User kein Hehl aus ihren Präferenzen machen. Dementsprechend könne man die Werbung steuern. "Die Clickraten sind auch sehr gut", sagt Stepke. Bei österreichischen Unternehmen ortet er momentan noch Skepsis. "Es gibt noch nicht viele, die in sozialen Netzwerken werben."

179 Millionen Mitglieder weltweit

Doch nicht nur österreichweit hat Facebook Probleme, seine Nutzer zu Geld zu machen. Fünf Jahre nach seiner Gründung durch Mark Zuckerberg zählt das Netzwerk 179 Millionen Mitglieder. Das Kapital von Facebook ist gleichzeitig sein Korrektiv. Die eine oder andere Werbeidee musste nach heftigen Protesten wieder ad acta gelegt werden. Eine Änderung der AGBs wurde zu Fall gebracht. Die Toleranzschwelle sei bei Nutzern von sozialen Netzwerken eine niedrigere, diagnostizieren Experten. Dennoch ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis das momentan noch goldene Kalb einmal ordentlich gemelkt werden kann. Vor eineinhalb Jahren wurde der Wert von Facebook auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. Natürlich eine fiktive Summe, da Microsoft sich damals für stolze 240 Millionen Dollar 1,6 Prozent am Unternehmen gesichert hatte.

Weitere Geschäftsmodelle

"Facebook entwickelt ständig neue Features", sagt Andreas Klinger von die.socialisten.at. Die Zahl der Mitglieder wird in die Höhe getrieben. Um den Preis, dass die Vermarktung auf der Strecke bleibt. Gerade wurde eine arabische und hebräische Version der Seite gelauncht. "Die haben einen Mikrokosmos geschaffen", meint Klinger und sieht die Bannerwerbung nur als "ersten Schritt der Monetarisierung". Weitere Finanzierungsquellen könnten etwa Umfragen für Unternehmen sein, statistische Infos oder Trends, die man aus der gewaltigen Usermenge destillieren könnte. Die Befürchtung von vielen, dass Facebook einfach die Nutzerdaten an Dritte weiterverkaufen wird, teilt Klinger nicht: "Das würde ihnen das Genick brechen." Die Mitglieder würden in Scharen davonlaufen und die Reputation wäre beim Teufel, so Klinger.

Werbeaktion von Burger King

Dass Facebook als Marketingkanal funktionieren kann, hat Anfang Jänner Burger King unter Beweis gestellt. Eine Werbeaktion der Fast-Food-Kette stand unter dem Motto: "Zehn deiner Freunde sind so viel wert wie ein Burger." User mussten eine Applikation herunterladen und zehn Personen aus ihrer virtuellen Freundesliste löschen. Die Teilnehmer erhielten einen Gutschein für einen Burger. Die Gelöschten wurden informiert, dass ihnen die Freundschaft für einen Whopper aufgekündigt wurde. Facebook sah sich gezwungen, die Guerilla-Kampagne nach wenigen Tagen zu stoppen. Bis dahin fielen immerhin 234.000 Freunde einem Gratis-Burger zum Opfer.

Auf Schadenersatz verklagt

Der vermeintliche tele.ring-Inder steht auf Facebook "unter Beobachtung", warnt Michael Heine von Blink. Er kommuniziert nämlich mit seinen "Freunden" über die Statusmeldungen. Mit bis dato harmlosen Einträgen wie "Der Inder dankt allen für die gedrückten Daumen" oder "Der Inder hat zwei linke Füße". Sollte sich die verselbstständigte Figur aber einmal zum (Image)-Schaden der Agentur, des Kunden oder von Ramesh Nair selbst äußern, müsse man natürlich reagieren, so Heine.

Das Löschen von gefälschten "Star-Profilen" steht bei Facebook sowieso auf der Tagesordnung. Immer wieder tauchen neue Britney Spears oder David Beckhams auf. Um Missbrauch auf die Schliche zu kommen, beschäftigt Facebook eigene Beobachter, die diese Accounts eliminieren. Vor kurzem wurde in London ein Mann zu einer Strafe von 22.000 Pfund verurteilt. Er hatte ein Fake-Profil von einem ehemaligen Schulkollegen angelegt.

Initiative gegen die Familie Putz

Auf Facebook ist auch eine prominente Werbefamilie vertreten, nämlich die Familie Putz. Allerdings nicht mit einer eigenen Fan-Seite. Ganz im Gegenteil: Eine Gruppe fordert die Abschaffung. "Lieber Lutz, liebe Agentur. Es reicht. Diese vier Nervensägen hält doch keiner mehr aus", heißt es. Die Initiative hat bis jetzt 222 Unterstützer. (Oliver Mark, derStandard.at, 15.3.2009)