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Yasin Pehlivan schreit in der 18. Minute die Freude raus. In seinem vierten Spiel für Rapid hat er sein erstes Tor erzielt. Das darf schon gesagt werden.

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Wien - "Ich habe Sprechverbot", sagte Yasin Pehlivan. Und er hob auf dem Weg in die Kabine als Geste des Bedauerns seine Schultern bis hin zu den Ohrläppchen. Wobei der 20-jährige Mittelfeldspieler gegen das Gesetz des Schweigens bereits verstoßen hatte. "Ich habe Sprechverbot" sind eindeutig drei Worte und somit schon um drei zu viel. Zweiter Versuch: "Die Gedanken nach Ihrem ersten Tor für Rapid, einem wunderbaren Volley aus fast 25 Metern ins Kreuzeck?" Pehlivan: "Ich habe Sprechverbot." Dritter, zugegeben kläglicher Versuch: "Muss ein tolles Gefühl sein, oder?" Pehlivan: "Ja." Womit er, der hinter den Ohren noch etwas Grüne, überlistet war. Der folgsame Pehlivan hatte seine Emotionen aber gleich wieder im Griff: "Ich habe Sprechverbot."

Rapid ist streng, erfindet die Pädagogik neu, ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse. Ein Rekordmeister darf das. Es mag sich um eine Laune der Natur gehandelt haben, dass dies der arme Kapfenberger SV am Samstagabend im Hanappi-Stadion büßen musste. Trainer Werner Gregoritsch war über die 0:6-Abfuhr derart dankbar, dass er seinen Mannen am Tag danach das komplette Video der Partie vorgespielt hat. "Weil es ein Lehrspiel war. Rapid zeigte Leidenschaft pur. Die sind voller Testosteron, wir voller Valium."

Gregoritsch mag übrigens seinen Kollegen Peter Pacult sehr. "Wir sind freundschaftlich verbunden. Toll, was er geschafft hat, er geht gerade seinen Weg." In solchen Momenten wird der harte Pacult patzweich, er dankt für die Komplimente, nimmt sie an, gibt sie direkt an die Mannschaft weiter. Und er erklärt den Sonntag zum arbeitsfreien Tag, "weil der Prater und das Schweizerhaus aufsperren". Pfeif' aufs Auslaufen in Hütteldorf.

Aber warum muss Pehlivan öffentlich schweigen? "So halt. Bei uns und daheim darf er eh alles sagen. Es wird viel zu schnell gelobt, die jungen Leute brauchen einen Schutzwall." Trainer Pacult ist quasi ein Maurer. Und Pehlivan ist eines der größten Talente, das der österreichische Fußball zu bieten hat. Natürlich wird Pacult die Mauer irgendwann niederreißen. "Ich alleine entscheide, wann er sprechen darf."

Pehlivan ist nicht der einzige stumme Rapidler. Auch der 18-jährige Christopher Drazan muss den Mund halten, man wird also von ihm nie erfahren, weshalb er den Schwung der vergangenen Monate ein bisserl verloren hat. Der 21-jährige Erwin Hoffer, gegen Kapfenberg zweifacher Torschütze und ein Kopfballungeheuer, darf sich mitteilen, er wurde von Pacult längst freigegeben. Also durfte Hoffer sagen, "dass Rapid einen Lauf hat". Das Pacult'sche Prinzip hat auch Schwächen, es ignoriert zum Beispiel die nicht nur im Fußball gültige Tatsache, dass zum Beispiel irgendein 33-Jähriger durchaus blöder (im Sinne von unreifer) als ein konkreter 20-Jähriger sein kann. Was er, Pacult, von Pehlivan hält: "Zweikampfstark, intelligent, taktisch clever."

Kluger Kerl

Irgendwann wird Pehlivan alles selbst erzählen dürfen. Dass er türkischer Abstammung ist, in Wien geboren wurde, dass er seit seinem 14. Lebensjahr bei Rapid kickt. Vielleicht spricht er über das weiße Stirnband, das die pechschwarzen Haare zähmt. Wobei das nicht einmal Pacult interessieren dürfte. Derweil springen die Teamkollegen ein. Kapitän Steffen Hofmann: "Yasin hat Übersicht, bleibt ruhig am Ball, ein kluger Kerl." Stefan Maierhofer: "Ein hervorragender Fußballer, für sein Alter extrem weit. Privat total zurückhaltend. Der Zeitpunkt kommt, da wird er seinen Mund aufreißen. Geduld."

Pehlivan soll mit dem Sprechverbot übrigens ganz gut leben können. Versichert Maierhofer. (Christian Hackl - DER STANDARD PRINTAUSGABE 16.3. 2009)