Nur eines der Probleme, mit denen Pakistan konfrontiert ist, könnte ausreichen, einen Staat in die Knie zu zwingen. Das Land mit der Atombombe und einer einstens modernisierten starken Mittelklasse entwickelt sich seit Jahren zurück, politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Es bröckelt an allen Ecken und Enden.
Der Krieg in Afghanistan ist längst auf pakistanisches Territorium übergeschwappt, auf fast täglicher Basis wird Pakistans Souveränität durch US-Militäroperationen infrage gestellt. Dem Problem des militanten Islamismus und dessen Terrorismus-Kampagnen begegnet die pakistanische Führung mit einer unklaren Strategie von einerseits Härte und andererseits Nachgeben. Zu Letzterem gehört, dass das Swat-Tal, einst touristisches Hoffnungsgebiet Pakistans, islamistischen Kräften ausgeliefert wurde - und damit nicht mehr der Kontrolle und den Regeln des Zentrums untersteht.

Von der Nachricht, dass ein Landesteil aufgegeben wird, haben sich die Pakistanis noch nicht erholt, da schlägt sich das alte politische Establishment auf nationaler Ebene die Köpfe ein. Der Konflikt zwischen Bhutto-Witwer Präsident Asif Ali Zardari und Ex-Premier Nawaz Sharif droht die Rückkehr zu demokratischen Institutionen, die nach dem Abgang des Militärmachthabers Pervez Musharraf im vergangenen Jahr eingeleitet wurde, zum Scheitern zu bringen.

Es ist bedauerlicherweise genau so gekommen, wie es Pessimisten im Sommer 2008 vorhersagten: Zardaris und Sharifs einziges gemeinsames Projekt war, Musharraf von der Macht zu entfernen. Nach dem Zerbrechen ihrer Koalitionsregierung - Sharif ging in Opposition - simmerte der Konflikt zwischen den beiden monatelang vor sich hin. Und was jetzt vereinfacht als Eintreten Sharifs für die Wiedereinsetzung eines unabhängigen Obersten Richters daherkommt, ist eine Konsequenz der gescheiterten Machtaufteilung.

Zardari - dessen Entwicklung zu einem skrupellosen Machtpolitiker angesichts seiner fragwürdigen Vergangenheit nicht wirklich überrascht, aber auch alte Bhutto-Anhänger verstört - setzt Richter Iftikhar Chaudhry nicht wieder ein: Er befürchtet von diesem eine Aufhebung der ihn, Zardari, begünstigenden Amnestie aus Musharrafs Zeiten. Die zahlreichen Korruptionsvorwürfe (und Schlimmeres) gegen Zardari könnten wieder auf den Tisch kommen. Das amtierende Oberste Gericht - von Musharraf eingesetzt, was Zardari jedoch nicht stört - hat hingegen Sharif von allen gewählten Ämtern ausgeschlossen, ebenfalls wegen alter Justizvorwürfe.

Das Verbot richtet sich jedoch nicht nur gegen Nawaz Sharif, sondern auch gegen dessen Bruder, Shahbaz Sharif, bis zum Urteil Gouverneur der Provinz Punjab. Dass Shahbaz trotz des Wahlsiegs Zardaris Gouverneur des Punjab bleiben sollte, hatte offenbar zum Deal gehört, den die Rivalen zum Sturz Musharrafs abschlossen.
Der Punjab ist ein dicker Fisch: Wer ihn regiert, regiert mehr als die Hälfte der Bevölkerung Pakistans und dessen entwickeltsten und reichsten Teil. Und die Anhänger Sharifs besonders im Punjab stehen jetzt gegen Zardari auf.

Die Frage ist, wie lange das Militär einer Destabilisierung zusieht. Denn manche Kommentatoren malen bereits das Gespenst einer möglichen Spaltung Pakistans an die Wand: Der Punjab ginge demnach an die Muslimliga Sharifs, und die Provinz Sindh, wo die Bhuttos ihre stärkste lokale Verankerung haben, an Zardaris PPP (Pakistan Peoples Party). Blieben die paschtunischen Stammesgebiete, die ohnehin mehr zu ihren Stammesbrüdern auf der afghanischen Seite schauen, und das schwache Balutschistan, wo allerdings Erdgasvorräte vermutet werden: eventuell Grund für neue Konflikte. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 16.03.2009)