Ein Kofferraum voll Schuld: Kreisky

Foto: Ingo Pertramer

Ein braves Kind dieses Landes trägt den Weltschmerz im Gesicht. Ein pflichtbewusster Sohn dieser Nation hat gelernt, ihn nicht hinauszuschreien. Wickle ihn in intellektuellen Habitus, in bitteren Zynismus, in grinsende Verachtung, dann lässt man dich in Ruhe. Nur kein Melodrama. Damit verschone uns.

Verstaubte Begriffe

Aber immer, wenn es schön gemütlich wird, kommt wieder einer und stört. Mit Akkorden, die nichts Gutes versprechen, und Texten, die dieses Versprechen halten. Kreisky, die Band, sind wieder da. Es scheint, als hätten sie die Zeit seit ihrem letzten Album vor allem in Kellern verbracht. Was sie mitgenommen haben, sind marode Souvenirs. Verstaubte Begriffe, die wir lange aus den Augen, aus dem Sinn, aber nie aus der Seele verloren haben. "Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld" knallen sie uns entgegen. Es sind Gebetsmühlen und Moralpredigten, die sich am müden Publikum der Dorfkapelle längst sattgesehen haben. An den Plafonds der Beziehungskisten drehen sie summend ihre Kreise, um abzuschließen, was Jahrhunderte katholischer Züchtigung nicht geschafft haben.

"Seit du fort bist, ist mein Asthma so gut wie verschwunden", heißt es da. Doch Triumph sieht anders aus. Wer hier Erlösung vorgaukelt, ist ein armes Schwein, das schon lange vergessen hat, sich umzuschauen. "Ich habe oft gesagt, ich mag dich so wie du bist/ Aber du musstest dich ja verändern/ Von mir aus hättest du dich nicht verändern müssen / Verbessert hast du dich dadurch nämlich nicht." Im Mist hocken, laut grunzen, und dem Bauern die Schuld geben, weil nichts einem so viel Angst bereitet wie das Öffnen des Stallgitters. Auch so lässt es sich gut leben.

Dagegen. Wogegen?

Kreiskys druckvolle Arrangements, Wenzels übersteuerter Gesang und das Spiel mit New Wave-Ästhetik machen ihre Musik sogar tanzbar. Sich in der Musik zu verlieren, wissen die Texte zu verhindern. Zu sperrig, zu ruppig, zu ambivalent sind die Emotionen, die hier vermittelt werden. Das kann durchaus mühsam sein. Wer erwartet, dass aus den Knopfkopfhörern nur Streicheleinheiten kommen, ist bei Kreisky aber ohnehin schlecht aufgehoben. Und es ist diese Ambivalenz, welche das Album groß macht. Die Wut darüber, nicht zu wissen, auf wen man eigentlich wütend ist.

Etwas mehr Schliff hätte der Aufnahme gut getan. Wenzel scheint sich nicht immer entscheiden zu können, ob er seine Texte in Hannover oder in Meidling spricht. Live funktioniert die Platte aber bestens. Da kann die Schuld noch so groß sein: Wenn Rhythmus und Bierkonsum beschleunigt waren, hörte man über finstere Predigten schon immer gerne hinweg. (mas, derStandard.at, 15.3.2009)