Islamabad - Nach der von Regierungschef Yousuf Raza Gilani verkündeten Wiedereinsetzung von Höchstrichter Iftikhar Mohammad Chaudry hat sich die innenpolitische Krise in Pakistan am Montag entspannt. Oppositionsführer Nawaz Sharif sagte den für heutigen Montag angesetzten "Langen Marsch" seiner Anhänger nach Islamabad ab.
"Hier und heute wird sich das Schicksal dieser Nation ändern", sagte der Vorsitzende der größten Oppositionspartei PML-N. Er war trotz eines am Sonntag verhängten Hausarrests bereits auf dem Weg nach Islamabad gewesen, um die Massenproteste für Chaudry anzuführen. Nach der Nachricht von der Wiedereinsetzung Chaudhrys wandte er sich mit einer Ansprache an seine Anhänger und fuhr in seine Heimatstadt Lahore zurück.
Rosen für Chaudhry
Mit Victory-Zeichen und Rosenblüten haben Chaudhrys Anhänger am Montag dessen Wiedereinsetzung ins höchste Richteramt gefeiert. Zahlreiche Anwälte, die in der politischen Krise des Landes in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle spielten, feierten Chaudhry, als er schwarz gekleidet und lächelnd vor sein Haus trat. Sie warfen Rosenblüten, die sich auf seinem Rasen ansammelten.
Auch die USA begrüßten die Ankündigung der Regierung, Chaudry und 60 andere Richter wieder einzusetzen. Damit sei eine "ernsthafte Konfrontation" vermieden und "ein substanzieller Schritt in Richtung nationaler Versöhnung" unternommen worden, erklärte die US-Botschaft in Islamabad.
Chaudhry und alle anderen entlassenen Richter sollen am 21. März in ihre Ämter zurückkehren, wie Regierungschef Yousuf Raza Gilani am Montag im pakistanischen Fernsehen ankündigte. Ein hochrangiger Vertreter der Oppositionspartei von Ex-Premier Nawaz Sharif sagte, dass die Regierung weitere Zugeständnisse im Rahmen eines "Verfassungspakets" machen wolle.
Jubel in Islamabad
Der jetzige Präsident des Obersten Gerichts trete am 21. März in den Ruhestand, so dass Chaudhry das Amt dann übernehmen könne, sagte Premier Gilani. Mehrere hundert Oppositionelle und Juristen versammelten sich nach Bekanntwerden des Durchbruchs jubelnd vor Chaudrys Wohnsitz in Islamabad. Sie tanzten und riefen: "Lang lebe der Oberste Richter". Der pensionierte Richter Tariq Mehmud sagte: "Das ist ein Sieg für diejenigen, die für die Unabhängigkeit des Rechtswesens gekämpft haben. Und es ist das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine von der Mittelklasse ausgehende Bewegung erfolgreich war."
Die Richter waren unter der Militärregierung von Pervez Musharraf 2007 abgesetzt worden. Der neue Präsident Asif Ali Zardari hat die Wiedereinsetzung der Richter zwar versprochen, aber bisher nicht umgesetzt. Beobachtern zufolge könnte Chaudry eine noch von Musharraf erlassene Amnestie für den der Korruption in großem Stil beschuldigten Zardari und dessen später ermordete Frau Benazir Bhutto für nichtig erklären.
Am Streit über den Umgang mit den entlassenen Richtern war im August die Regierungskoalition aus der Pakistanischen Volkspartei (PPP) von Präsident Zardari und der Muslim-Liga (PML-N) von Nawaz Sharif zerbrochen. Sharif wurde inzwischen vom Obersten Gericht wegen seiner Vorstrafen aus der Musharraf-Zeit die Übernahme politischer Ämter untersagt - eine Entscheidung, hinter der Kritiker die Regierung Zardari sehen.
Polizei gegen Demonstranten
Die Polizei war am Sonntag in der ostpakistanischen Metropole Lahore mit Schlagstöcken und Tränengas gegen steinewerfende Demonstranten vorgegangen. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen. Zuvor hatte es Berichte gegeben, wonach Sharif unter Hausarrest gestellt worden sei. Die Regierung wies das jedoch zurück.
Der innenpolitische Machtkampf war auch international mit großer Besorgnis verfolgt worden. So fürchteten die USA, dass die Entwicklung zur Schwächung der Bemühungen im Kampf gegen Extremisten von Taliban und Al Kaida im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan führen könnte. Für die US-Pläne zur Stabilisierung Afghanistans ist es elementar, dass die Rebellen in Pakistan keine Zuflucht finden.
Musharraf hatte Chaudry abgesetzt, um zu verhindern, dass der Oberste Richter die im Oktober 2007 durchgeführte Wiederwahl des pakistanischen Präsidenten für verfassungswidrig erklärt. Der Militärmachthaber musste jedoch knapp ein Jahr später zurücktreten, nachdem die Opposition die Parlamentswahlen im Februar 2008 gewonnen hatte und ihm eine Amtsenthebung androhte. (APA/AP/red)