Die Demonstranten hissten am Strand von Scheveningen Flaggen, umgeben von Sandburgen, die symbolischen Schutz vor Angriffen der USA auf den IStGH bieten sollten

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Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag

Foto: APA/ANP/Oudenaarden

Den Haag - Mit der Vereidigung von 18 Richtern hat der Internationale Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag am Dienstag konkrete Gestalt angenommen. Unter den Augen von UN-Generalsekretär Kofi Annan und der niederländischen Königin Beatrix schworen die Richter, "unparteilich und gewissenhaft" Recht zu sprechen. Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Zeremonie als Signal an tyrannische Herrscher, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden könnten.

Abschreckungscharakter

Annan betonte dabei den Abschreckungscharakter, der von diesem neuen Weltgericht ausgehe. "Das hat in der Vergangenheit gefehlt." Jetzt wisse jeder, der schlimmste Verbrechen in großer Zahl vorbereite, dass er eines Tages zur Verantwortung gerufen werde, sagte Annan. Das von 89 Staaten getragene Gericht verhindere auch das Entstehen jeder Kollektivschuld an Verbrechen. "Dieser Begriff ist der wahre Feind des Friedens, denn er trägt dazu bei, dass sich in der Bevölkerung über Generationen hinweg Hass auf andere fortentwickelt", betonte Annan.

USA und Israel befürchten Missbrauch

Der Vorsitzende der Staaten, die den IStGH unterstützen, verteidigte den Gerichtshof gegen Kritik. Die UN-Instanz, die Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ahnden soll, sei "keine Racheschmiede", sagte Prinz Zeid Ra'ad Zeid Al Hussein von Jordanien. Damit wandte er sich gegen Befürchtungen unter anderem aus den USA und Israel, der IStGH könnte für politische Zwecke missbraucht werden. Mehr als 500 Gäste, darunter zahlreiche Staatschefs und Außenminister, nahmen an der Zeremonie im Rittersaal des niederländischen Parlaments teil. Der US-Botschafter in den Niederlanden, Clifford Sobel, lehnte eine Einladung ab.

Protest am Strand

Kurz vor der Vereidigung hatten Menschenrechtler gegen die Politik von US-Präsident George Bush protestiert, dessen Regierung den IStGH boykottiert. Sie hissten am Strand von Scheveningen Flaggen, umgeben von Sandburgen, die symbolischen Schutz vor Angriffen der USA auf den IStGH bieten sollten. Washington hat mit 22 Staaten bilaterale Verträge abgeschlossen, die US-Bürgern Immunität vor Strafverfolgung durch den IStGH garantieren. Zudem ermächtigte der US-Kongress den Präsidenten per Gesetz, "alle notwendigen Mittel" zu ergreifen, US-Bürger aus dem Gefängnis des Gerichtshofs zu befreien.

Aus Protest gegen dieses Gesetz, das ironisch als Ermächtigung zur "Invasion von Den Haag" bezeichnet wird, hissten Menschenrechtler am Strand von Scheveningen die Flaggen der 89 Staaten, die das IStGH-Statut bislang unterzeichnet haben. Insgesamt 120 Staaten hatten die Einrichtung des Gerichtshofs im Juli 1998 in Rom vereinbart, am 1. Juli 2002 nahm der IStGH offiziell seine Arbeit auf.

Der Strafgerichtshof soll nur tätig werden, wenn die Behörden einzelner Staaten unwillig oder nicht in der Lage sind, die genannten Verbrechen selbst zu verfolgen. Das Tribunal wird auch nur für Straftaten zuständig sein, die nach In-Kraft-Treten seines Statuts im Juli 2002 verübt wurden. Bei Kriegsverbrechen kann es nur einschreiten, wenn die Straftaten in einem Unterzeichnerstaat verübt wurden oder der Verdächtige aus einem solchen Land stammt.

Bis der IStGH tatsächlich arbeitsfähig ist, könnten noch Jahre vergehen. Bisher verfügt er weder über ein Gerichtsgebäude noch über einen Anklagevertreter. Die Mitgliedstaaten haben sich noch nicht auf einen Kandidaten geeinigt. Für die Verfolgung und Verhandlung von Menschenrechtsverbrechen wären insgesamt mehrere hundert Mitarbeiter notwendig, biser sind es nur 62.

Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Vereidigung der Richter dennoch als wichtigen ersten Schritt. "Allzu lange schien es, als käme man ins Gefängnis, wenn man einen Menschen tötet, käme aber davon, wenn man hunderte oder tausende foltert und abschlachtet", sagte der Generalsekretär des Europarats, Walter Schwimmer. (APA/AP/dpa)