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Josef Pröll: Charakterisieren würde er sich selbst als Mensch, der den Kontakt und das Gespräch sucht und der Abgrenzung und Ausgrenzung nicht als Elemente der Politik sieht.

foto: reuters/prammer

Wien - "Politik ist die Kunst des Möglichen" lautet einer der obersten Leitsprüche von Neo-Minister Josef Pröll (V), dem Nachfolger von Wilhelm Molterer im Ressort für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft im Kabinett Schüssel II. Unter dieser Maxime will der erst 34-jährige Niederösterreicher auch die verschiedenen Verantwortungsbereiche in seinem "Lebensministerium" auf die bestmögliche Art und Weise bewältigen und sich der Herausforderung dieser Mehrfachfunktion stellen. Aber auch im Dreiecksverhältnis zwischen EU, Ministerium und Interessensvertretung will Pröll "die Kunst des Möglichen" für die heimische Landwirtschaft versuchen.

"Lehrmeister" Molterer

Der politische Werdegang des studierten Agrarökonomen hat bereits in der Kindheit begonnen, als er auf Grund seiner familiären Herkunft als Neffe des niederösterreichischen Landeshauptmannes Erwin Pröll "die Möglichkeit hatte, diesem schon als Kind beim Politisieren zuzuhören". Der wohl prägendste Abschnitt seiner beruflichen Karriere war jedoch mit Sicherheit die Zeit als Kabinettschef von Molterer, betonte Pröll: "Willi Molterer war mein politischer Lehrmeister und der, der mir die Faszination Politik schlussendlich schmackhaft gemacht hat. Von ihm habe ich profitiert wie von niemand anderem."

Bester Ruf in Agrarkreisen

Mittlerweile hat sich der Vater von drei Kindern in Agrarkreisen selbst einen Ruf als exzellenter Fachmann in agrarischen Fragen und als harter, aber fairer Verhandler erarbeitet. Dabei suche er, Pröll, weder "bewusst die Abgrenzung zu Molterer", noch habe er "den Ehrgeiz, alles besser machen zu wollen als sein Vorgänger".

Charakterisieren würde er sich selbst als Mensch, der den Kontakt und das Gespräch sucht und der Abgrenzung und Ausgrenzung nicht als Elemente der Politik sieht. "Ich werde mich bemühen, durch dieses Ministeramt kein anderer Mensch zu werden und auf Basis dessen, was ich einzubringen habe, die Anliegen der Umwelt, der Bauern und des ländlichen Raumes aktiv angehen", sagte Pröll.

Spannungsfeld

Eine der größten Herausforderungen in diesem Ministeramt sieht Pröll darin, "das Spannungsfeld zwischen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasser und Umwelt aufzulösen". Die Geschichte des Ressorts und die Entwicklungen in der Landwirtschaft hätten jedoch bereits gezeigt, dass es logisch sei, diese Bereiche unter einem Dach zu vereinen und als Lebensministerium zu führen und zu titulieren, so Pröll.

Durch die Zusammenführung der Ressorts sei die "Erfüllung der Lebensqualitätsaufgabe verwirklicht" worden. "Österreich ist Bioland Nummer eins, die Bauern haben mit dem Umweltprogramm ÖPUL einen ganz massiven Schritt in Richtung umweltgerechte Landwirtschaft gesetzt", streut er den heimischen Bauern Rosen. Man müsse jedoch aus der Verantwortung für den ländlichen Raum und den Staat als ganzes sehen, dass der ökosoziale Gedanke nicht nur die Landwirtschaft betrifft, erläuterte Pröll.

Die "Klammer" über diesem Spannungsfeld heiße Nachhaltigkeit. Es sei ein Gebot der Stunde, "integrativ zu denken" und zu fragen, welchen Einfluss habe die Wirtschaft, welchen die Landwirtschaft, was fordere die Umwelt, was der Naturschutz, was sei im Wasser zu tun, was habe der Forst für Wohlfahrtswirkungen für die Umwelt, und umgekehrt: wie soll man mit dem Wald umgehen, dass er das auch leisten könne, formulierte Pröll nur einige der Fragen, die hinter dieser Herausforderung liegen.

Rollenwechsel

Seinen Rollenwechsel vom Bauernbund-Direktor, der Forderungen an den Minister gestellt habe, auf die andere Seite, wo es auf Grund gewisser Sachzwänge wie EU-Vorgaben oder Budgets auch notwendig sein werde, Dinge abzulehnen, sieht der neue Landwirtschaftsminister Josef Pröll ganz pragmatisch: Bauern hätten in ihrer Entwicklung gelernt zu beurteilen, wo der jeweilige Partner stehe, was zu tun sei und welche Aufgaben man habe. Das habe er, Pröll, auch als Bauernbund-Direktor so gehalten.

Fischler vs. "Freunde"

"Ich habe gewusst, dass Franz Fischler in Europa seine Aufgaben zu erledigen hat, Willi Molterer hier im Ministerium und der Bauernbund in seiner Rolle als Interessensvertreter. Wenn dieses Dreieck weiter so funktioniert, möchte ich gerne meinen Teil dazu beitragen". Es sei aber klar, dass aus Sicht der Regierung, aus Sicht des Budgets, aus der Verantwortung in der Funktion als Landwirtschaftminister heraus nun "mit meinen Freunden gewisse Sachen anders diskutiert werden müssen". Dies sei jedoch kein Widerspruch, sondern vielmehr das Ziel, in der Politik die Kunst des Möglichen mitzugestalten, so Pröll.

Wo die österreichische Landwirtschaft in fünf Jahren, nach Umsetzung der bevorstehenden Weichstellungen wie GAP-Reform, EU-Osterweiterung und WTO-Verhandlungen stehen werde, ist sich Pröll sicher: "Ich sehe sie dort, wo der Weg vor vielen Jahren eingeschlagen wurde, nämlich in Richtung bäuerlicher Familienbetrieb." Dafür seien alle nötigen Instrumente aufgestellt - Ausgleichszahlungen für Bergbauern, ÖPUL oder auch Instrumente der ländlichen Entwicklung. Dieser Weg müsse "konsequent weiter gegangen werden".

Nicht nur wachsen

In seiner Funktion als Landwirtschaftsminister wolle er dabei einen Schwerpunkt auf jene Betriebe legen, die diese Herausforderung besonders dynamisch annehmen. Der Faktor dabei heiße aber nicht nur wachsen, erläuterte Pröll. Vielmehr soll jenen Betrieben geholfen werden, die mit ihrer Investition Betriebsumstellungen machen, Nischen erschließen oder sich stärker auf den Märkten orientieren wollen: "Denen muss man mit Investitionsförderung stärker unter die Arme greifen als bisher."

Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

Eine seiner vorrangigsten Aufgaben im Agrarbereich sieht Pröll in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Diese werde die heimischen Bauern "so oder so massiv berühren". Es gebe jedoch keinen Grund, von der österreichischen Positionierung, die gemeinsam von Bauernbund, Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern und Ministerium ausgearbeitet wurde, abzurücken, bekräftigte Pröll.

Österreich sei "auf einem guten Weg in der Positionierung". Zudem stellen die Fischler-Pläne gegenüber den Juni-Vorschlägen eine "spürbare Verbesserung" dar. Er, Pröll, werde sich nun beim EU-Agrarministerrat "genau ansehen, wie die Meinungsbilder laufen, wie wird was artikuliert und diskutiert".

Eines der wichtigsten Anliegen zur Herstellung der Wettbewerbsgleichheit in der EU sei die Umsetzung des billigeren Agrardiesel. Ziel sei es, das beizubehalten, was im Regierungsübereinkommen stehe, nämlich dass der Agrardiesel Teil der Steuerreform sei. Wann er tatsächlich umgesetzt werde, sei "regierungsintern noch zu diskutieren, aber wir sind immer davon ausgegangen, dass die große Steuerreform im Jahr 2005 zu greifen beginnt", zeigte sich Pröll zuversichtlich.

Erstmals sei eine Steuerreform geplant, wo das Grundprinzip der ökosozialen Marktwirtschaft verwirklicht werde, nämlich die Besteuerung von fossiler Energie und die Entlastung von Arbeitskraft. "Wenn ich jedoch auf dem ökosozialen Weg Landwirtschaftspolitik in Österreich machen will, dann muss ich die Kosten der österreichischen Landwirtschaft und die Bedingungen, zu denen sie produzieren kann, denen der europäischen Mitbewerber angleichen", verteidigte Pröll den für Bauern verbilligten Agrardiesel bei gleichzeitiger Steuererhöhung für fossile Treibstoffe.

Wer im Sinne einer nachhaltigen ökosozialen Marktwirtschaft eine flächendeckende Landwirtschaft halten wolle, müsse dieser dann auch im Bereich Wettbewerb "die Instrumente in die Hand geben. Daher sage ich, Besteuerung fossiler Energie und Entlastung von Alternativenergie und Arbeitskraft ist richtig, aber im Sinne einer ökosozialen bäuerlichen Landwirtschaft ist es unbedingt notwendig, dass ich am Preissektor Agrardiesel etwas mache. Das wird einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung der Betriebe bringen, damit sie in ihren Strukturen weiterwirtschaften können", so Pröll. Eine Absenkung auf das Niveau von Heizöl leicht würde eine spürbare Entlastung der bäuerlichen Familien bringen.

Exportoffensive

Zur Vorbereitung der österreichischen Landwirtschaft auf die EU-Erweiterung will der Pröll mit Wirtschaftsminister Martin Bartenstein darüber sprechen, wie eine Exportoffensive im Bereich Lebensmittelindustrie aussehen und eine Verankerung dieser Branche im Osten - nach dem Beispiel der heimischen Zucker- und Stärkekonzerns Agrana - realisiert werden könne. "Für die bäuerlichen Unternehmen ist es ganz wichtig, unsere Produkte auf den neuen Zukunftsmärkten zu positionieren", betonte Pröll. Nun gehe es darum, für Unternehmen, die sich im Osten ansiedeln wollen, Haftungs- und Finanzierungsunterstützungen bereitzustellen.

90 Millionen für Umweltbereich

Im Umweltbereich gibt es für den Neo-Minister Pröll "eine Priorität, die Klimaschutz heißt". Das dafür im Regierungsübereinkommen verankerte Budget von 90 Mio. Euro sei "keine kleine Summe, sondern eine spürbare Erhöhung", so Pröll. Dabei sollen erneuerbare Energieträger auch im landwirtschaftlichen Bereich gefördert werden. Zudem wolle der neue Umweltminister die Umweltförderung aufstocken und im Verkehrsbereich "das eine oder andere andenken". Ziel sei es, den Anteil der Biomasse auf 75 Prozent zu erhöhen und den Ökostromanteil von 70 auf 78 Prozent zu steigern.

WTO-Agrarverhandlungen

In puncto WTO-Agrarverhandlungen zeigte sich Pröll "froh, dass die EU mit einer Stimme spricht". Dies sei eine absolute Verbesserung gegenüber letzten Verhandlungsrunden. Der vom Leiter der WTO-Agrarverhandlungen Stuart Harbinson vorgelegte erste Verhandlungsentwurf sei jedoch absolut unbefriedigend und stelle "genau das Entgegengesetzte von dem dar, was wir unter ökosozialer Agrarpolitik verstehen". In diesem Papier sei kein Ansatzpunkt enthalten, der in Europa eine zielorientierte, zukunftsträchtige Agrarpolitik erlauben würde. "Ich glaube nicht, dass das eine konstruktive Vorlage ist und ich vernehme, dass das auch von Seiten der EU so gesehen wird", so Pröll. (APA)