Wien - Eine neue "Philosophie" für internationale Abkommen verlangte heute, Dienstag, der Präsident des Ökosozialen Forums, Josef Riegler. "Die alte, eindimensionale GATT-Philosophie ist für das 21. Jahrhundert nicht mehr brauchbar. Weg mit der reinen Freihandelsphilosophie und hin zu sozialen und ökologischen Anliegen und Respekt vor unterschiedlichen kulturellen Ansprüche", sagte der frühere VP-Vizekanzler in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit weiteren Gegnern des geplanten Dienstleistungsabkommens GATS, darunter Gemeindebund, Städtebund, Caritas und Umweltdachverband sowie der so genannten Stopp-GATS-Kampagne.

Globale Abkommen seien weiter essenziell, müssten aber anders werden, sprach sich Riegler für eine verbesserte "Global Governance" aus. Die EU sollte bei der Veränderung der internationalen Abkommen die tragende Rolle spielen. Dazu müsse sie sich aber "selbst Ernst nehmen" und die Prinzipien des europäischen Modells - neben ökonomischen auch ökologische und soziale Interessen zu stützen - stärker in den Verhandlungen vertreten.

Notwendig seien "Wettbewerbsregeln gegen die ungesunde Marktmacht", zitierte er den Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, den früheren deutschen Bundeskanzler und Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Die aktuellen WTO-Prinzipien förderten nur "ungesunde Großstrukturen" und Global Player. Durch die WTO-Regeln seien sowohl private als auch öffentliche Leistungserbringer zunehmend unter Druck. Daher müsse die Situation analysiert und die Diskussion über GATS verstärkt werden.

Städtebund-Generalsekretär Erich Pramböck ging bei seiner Kritik des GATS weiter: Durch die globale Öffnung der Märkte etwa auch für öffentliche Dienstleistungen, sei die Sicherheit gefährdet. "Auf Dienstleistungen, die wir erbringen können sich die Bürger verlassen", betonte Pramböck. Durch die Öffnung der Märkte würde "für den einen oder anderen ökonomischen Vorteil" ein "unsicheres Element" in Leben schleichen.

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) wies heute in einer Aussendung darauf hin, dass etwa die Einbindung des öffentlichen Verkehrs in die GATS-Verhandlungen eine Verteuerung und Verschlechterung der Qualität bedeuten könnte. Als Negativbeispiel führt der VCÖ Glasgow an, wo sich drei Anbieter das Netz teilen, aber bei Jahreskarten nicht kooperieren.

Robert Hink, Generalsekretär des Gemeindebundes fordert sogar, dass die "Daseinsvorsorge" als Kernkompetenz der Kommunen in der Verfassung festgeschrieben wird. Die Regierung müsse eine Arbeitsgruppe mit Städten und Gemeinden einrichten und nicht nur stärker über GATS informieren, sondern diese Daseinsvorsorge "gegen EU und WTO absichern". Was genau unter Daseinsvorsorge zu verstehen sei, werde derzeit in einer Studie geklärt, deren Ergebnisse spätestens Anfang Mai vorliegen sollen.

Caritas-Generalsekretär Stefan Wallner betonte, es gehe weniger darum, ob öffentliche oder private Institutionen eine Dienstleistung anbieten, als um den freien Zugang zu sozialen Dienstleistungen. "Die Sicherung der Daseinsvorsorge ist eine öffentliche Aufgabe, die man nicht privatisieren kann", betonte er heute. Wenn man die "institutionalisierte Solidarität" auch nur teilweise aufkündige, "ist das zum Schaden aller, aber besonders der Ärmeren". Eine reine Liberalisierung würde die sozial Schwachen oder solche in abgelegeneren Gebieten von der Teilnahme an gleichwertigen Dienstleistungen ausschließen, so Wallner.

Gerhard Heiligenbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, warnte heute vor einer Unterwanderung der österreichischen und europäischen Umweltstandards und einem Doppelspiel der EU beim Thema Wasserversorgung. "GATS in der derzeitigen Form ist eine Katastrophe für den Umweltschutz", sagte Heiligenbrunner. Der Hauptausschuss im Parlament müsse daher festlegen, wie Österreich bei den Verhandlungen auf EU-Ebene vorgeht und dem zuständigen Wirtschaftsminister Martin Barteinstein einen entsprechenden "Rucksack" schnüren.

Stopp-GATS-Sprecherin Cornelia Staritz wiederholte die Forderung nach einem Ende der Verhandlungen: GATS sei eine "Liberalisierungseinbahn", schränke nationale Gestaltungs- aber auch demokratische Prinzipien ein und bringe die Interessen der Entwicklungsländer in Gefahr. (APA)