Die Krise ist vorbei - für Madagaskars bettelarme Bevölkerung hat es seit Wochen keine bessere Nachricht gegeben. In den Straßen wird gefeiert: Der befürchtete Bürgerkrieg ist ausgeblieben. Dass jetzt ein Neuer regiert auf der Insel vor Ostafrika, wo der Durchschnittsjahresverdienst 900 US-Dollar beträgt und die meisten keine Arbeit haben, nehmen viele mit einem Schulterzucken hin. Der Aufschwung des bisherigen Präsidenten Marc Ravalomanana hat vor allem einer kleinen Elite genutzt. Andry Rajoelinas bisheriger Auftritt als Bürgermeister der Hauptstadt, wo der Werbeunternehmer sich als erstes ein Monopol aller Plakatwände verschaffte, lassen keinen Wandel erhoffen.

Die meisten Madagassen, die Tag für Tag irgendwo in den Reisfeldern stehen, fischen oder auf Plantagen Vanille ernten, haben Rajoelina noch nie gesehen. Die Chancen stehen gut, dass sie ihn nie zu Gesicht bekommen werden. Der Putsch in Zeitlupe, der sich seit Ende Jänner abgespielt hat, ist kein Aufstand der Armen gegen das Establishment - es sind die Unzufriedenen innerhalb des Establishments, die ein größeres Stück vom Kuchen wollen.

Das Land braucht jetzt vor allem eine schnelle Rückkehr zur Normalität. Nur dann kommen die Touristen zurück, nur dann investieren Unternehmen in den Rohstoffabbau, nur dann haben Tagelöhner wieder Arbeit. Nicht zuletzt wird sich Rajoelina mit seinem Kontrahenten einigen müssen: denn der größte Arbeitgeber des Landes heißt auch morgen noch Marc Ravalomanana. Ob Afrikas jüngster Putschist dazu die nötige Größe besitzt, ist zweifelhaft. (Marc Engelhardt/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2009)