Belgrad - Eine Therapie reiche nicht mehr aus, Serbien brauche eine Operation, erklärte neulich Radovan Jelasic. Der serbische Notenbankgouverneur forderte die Regierung, auf, den Staatshaushalt radikal zu Gunsten der Investitionen umzuschichten und die Staatsausgaben radikal einzudämmen.

Der Hüter des Dinars musste seit Oktober mit gut einer Milliarde Euro aus den Devisenreserven eingreifen, um den Absturz der serbischen Währung aufzuhalten. Der Dinar hat seit Oktober trotzdem ein Viertel seines Wertes eingebüßt. Lange könne das so nicht mehr weitergehen, warnte Jelasic.

Während die ideologisch bunte Koalitionsregierung in Belgrad bisher ergebnislos gegen die Wirtschaftskrise steuert, verbreitet sich in Serbien eine allgemeine Depression. Gut 60.000 Firmen, die rund 1,3 Mio. Mitarbeiter beschäftigen, sind praktisch insolvent. Nach Einschätzung der Union der Arbeitgeber ist dafür teilweise der Staat verantwortlich, der serbischen Firmen 720 Mio. Euro schuldet. Die Union rechnet, dass heuer rund 120.000 Menschen ihren Job verlieren. Die Arbeitslosigkeit in Serbien liegt derzeit bei 23,7 Prozent. Eine halbe Million Menschen leben unter der Armutsgrenze. In Serbien heißt das, dass sein Haushalt mit monatlich rund 90 Euro über die Runden kommen muss. Ein Durchschnittseinkommen liegt bei gut 300 Euro - bei Preisen, die sich größtenteils nicht von denen in Österreich unterscheiden und oft sogar höher liegen.

Von den Öffis über Nahrungsmittel, Telefon und Kommunaldiensten bis zum Kabelfernsehen ist alles teurer geworden. Der Export ist seit Jahresbeginn um 37,5 Prozent gefallen, der Import um 24 Prozent, die Inflation wird zweistellig.

Der drastische Fall des Lebensstandards steht im krassen Gegensatz zu den optimistischen Versprechen der proeuropäischen Regierung vom Sommer 2008. Geplant war ein Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent, jetzt ist von 0,5 Prozent die Rede. Aber selbst das scheint nicht zu halten. Die Enttäuschung der Bevölkerung setzt die Regierung immer mehr unter Druck. Seit fast zwei Jahrzehnten leben die Bürger Serbiens in einem Zustand der Dauerkrise. Nach Kriegen, der internationalen Wirtschaftsblockade und einer Milliardeninflation ist acht Jahre nach der Wende immer noch kein besseres Leben in Sicht.

Wieder einmal geht es ums nackte Überleben. Wegen mangelnder Auslandinvestitionen und nach dem Abzug von gut einer Milliarde Euro aus einheimischen Banken wird Serbien wohl nur durch die Hilfe internationaler Finanzorganisationen ein wirtschaftliches und soziales Desaster verhindern können. Das in Belgrad angedachte Rettungspaket beträgt mindestens drei Mrd. Dollar, davon sollten der Internationale Währungsfond (IWF), der Serbien Mitte Jänner bereits einen Kredit in Höhe von 530 Mio. Dollar (411 Mio. Euro) gewährt hat, soll nun zusätzlich bis zu zwei Mrd. Dollar locker machen. Die EU soll Serbien 400 Mio. Dollar, die Weltbank 300 Mio. Dollar zur Verfügung stellen. Die Gespräche mit dem IWF haben Anfang der Woche begonnen. Sollten diese scheitern, drohe Serbien ein Staatsbankrott, sagte Stojan Stamenkovic, Berater des serbischen Premiers. Die Regierung wolle das Haushaltsdefizit von geplanten 1,75 Prozent auf 3,0 Prozent erhöhen, das habe der IWF gar nicht gern, sagte Stamenkovic.

Als eine gewaltige Belastung für das Überbrücken der Wirtschaftskrise im Land könnte sich die serbische Kosovo-Politik erweisen. Die Regierung hat sich hinter der Floskel verschanzt, dass Serbien unter gar keinen Umständen die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennen würde. Es gibt aber Anzeichen, dass die USA über den IWF Serbien vor die Wahl stellen würden: Entweder seine von Russland unterstützte Kosovo-Politik zu lockern, oder es gibt kein Geld.

Die serbische Diplomatie könnte versuchen, diesen Druck der USA durch die Vermittlung Chinas zu dämpfen. (Andrej Ivanji, Belgrad, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.03.2009)