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Präsident Charles de Gaulle, der Herr in Schwarz-Weiß, hatte Frankreichs Rückzug aus der Nato-Führung durchgesetzt. Nicolas Sarkozy macht die Entscheidung aus 1966 rückgängig.

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Nach der Kritik an der geplanten Rückkehr Frankreichs in das Nato-Oberkommando setzte Nicolas Sarkozy eine Parlamentsabstimmung an.

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Frankreich nimmt den fundamentalsten Kurswechsel seiner Außenpolitik in einem halben Jahrhundert durch bloßen Beschluss des Staatschefs vor. Nicolas Sarkozy hat vor einer Woche bekannt gegeben, dass sein Land wieder in das Nato-Militärkommando zurückkehren werde, das Charles de Gaulle 1966 zur Wahrung der nationalen Unabhängigkeit verlassen hatte.

Operativ ist das zwar ohne große Folgen, denn Frankreich nimmt heute auch in Afghanistan an den Nato-Operationen teil. Aber der Entscheid ist von geopolitischer Bedeutung: Die einstige Grande Nation reiht sich in das westliche Verteidigungsbündnis ein, nachdem alle Präsidenten der Fünften Republik auf eine eigenständige "Stimme Frankreichs" in der Welt gepocht hatten. Nun verzichtet Sarkozy auf die Sonderstellung, die Frankreich in den Augen der blockfreien oder arabischen Staaten stets genossen hatte und die bis zum Irakkrieg immer wieder durch eine unabhängige Haltung gegenüber den USA aufgefallen war.

Sarkozy wusste selbst, wie umstritten sein Vorhaben der Nato-Vollmitgliedschaft in Frankreich ist: Noch im Präsidialwahlkampf 2007 hatte er das Thema geflissentlich gemieden. Die Wahl des neuen US-Präsidenten Barack Obama spielte ihm nun in die Hände: Nachdem die Franzosen unter George Bush jede Annäherung an die USA noch zweifellos verworfen hätten, billigt nun in Umfragen eine knappe Mehrheit der Franzosen die Nato-Vollmitgliedschaft.

In der Nationalversammlung wagte Sarkozy trotzdem keine Abstimmung. Denn neben der Linken sind auch Mitte-Politiker wie François Bayrou sowie viele Gaullisten aus Sarkozys Regierungspartei UMP vehement gegen die Rückkehr in die Nato. Die Opposition gegen die "Amputation der Freiheit" , wie Bayrou sagte, konnte sich aber in nur einer Woche nicht organisieren. In der Hast beging der sozialistische Fraktionschef Jean-Marc Ayrault einen schweren taktischen Fehler: Er forderte die Regierung auf, ihre Existenz an die Frage des Nato-Vollbeitritts zu knüpfen.

Sarkozy griff sofort zu und setzte die verlangte Vertrauensabstimmung auf diesen Dienstag an. Prominente UMP-Gaullisten wie die Ex-Premierminister Alain Juppé und Dominique de Villepin waren damit neutralisiert: Sie konnten bei der Abstimmung gestern abend nicht gegen ihren eigenen Premier François Fillon stimmen, obwohl sie den Nato-Wiederbeitritt ablehnen. Fillon meinte in der Debatte, sein Land werde in der Nato "Alliierter, nicht Vasall der USA" sein. Dank der absoluten Mehrheit der UMP gewann er die Abstimmung problemlos: 329 Abgeordnete sprachen ihm das Vertrauen aus, bei 228 Gegenstimmen.

Damit ist auch die Rückkehr Frankreichs ins Kommando des Nordatlantikpaktes besiegelt. Sie wird damit beim nächsten Nato-Gipfel Anfang April Tatsache, ohne dass das Parlament ausdrücklich darüber abgestimmt hätte.
Sarkozy wird es nicht dabei bewenden lassen. Im Sommer will er in Abu Dhabi den ersten Truppenstützpunkt Frankreichs im arabischen Raum eröffnen - in unmittelbarer Nähe zum Iran. Dieser weitreichende Entscheid, hinter dem Militärexperten eine Absprache mit dem Pentagon in Washington vermuten, fiel in Paris ohne jede parlamentarische Mitsprache.

In dem "sehr diskreten Stützpunkt des Präsidenten", wie Le Monde einen der seltenen Zeitungsberichte dazu betitelte, heißt es, das Elysée habe die Losung herausgegeben: "So wenig wie möglich darüber sprechen." Die strategisch für die Nation bedeutsamsten Beschlüsse fällt der Präsident allein. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2009)