Die Hamas will nun nicht weiter verhandeln. Und Israel setzt wieder auf Druck.
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Tel Aviv/Wien - Premier Ehud Olmert begründete in einer Fernsehansprache persönlich das Scheitern der indirekten Gespräche in Kairo damit, dass die Hamas zu viel verlangt habe. "Es gibt rote Linien, die wir nicht überqueren werden" , sagte der Premier Dienstagabend. Kurz zuvor wurde bekannt, was Israel der Hamas im Austausch für Shalit geboten hatte: 325 Gefangene, darunter verurteilte Mörder, wären freigekommen.
Die Verhandlungen scheiterten an zwei Punkten: Die Hamas soll die Freilassung von mehr als 400 Gefangenen verlangt haben. Andererseits wollte sie, dass Häftlinge aus dem Westjordanland auch dorthin zurückkehren dürften. Das lehnte Israel, wohl auch im Hinblick auf die als moderat geltende Fatah, die im Westjordanland regiert, ab. Die Fatah fürchtet eine erstarkte Hamas. Westliche Vertreter in Ramallah sagen zudem, dass die Fatah auch deshalb gegen den Deal opponiert hat, weil der Fatah-Mann Marwan Barghouti freigelassen werden könnte, der als möglicher Konkurrent für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gilt.
Warum dem Soldaten Shalit so große politische Bedeutung zukommt, mag verwundern, das Tauziehen um seine Freilassung folgt aber aus Sicht der Hamas und Israels einer klaren politischen Logik.
Die Hamas verfügte in den vergangenen Jahren über zwei Druckmittel gegen Israel: Raketen, die Schaden und Leid anrichten können, aber militärisch nicht relevant sind - und Shalit. Weil Israel in der Vergangenheit bereit war, einen hohen Preis zu bezahlen, wird auch Hamas versuchen, das Maximum herauszuholen. Zuletzt nutzte das die Hisbollah im Juli 2008, als sie die sterblichen Überreste zweier Soldaten übergab und dafür fünf Häftlinge und die Leichen von 200 Hisbollah-Kämpfern bekam. Hunderttausende feierten damals die Heimkehrer und Hisbollah, die Hamas hofft auf ähnliche Szenen.
Die israelische Regierung wiederum hat ein stillschweigendes Abkommen mit der Bevölkerung, sagt der israelische Politologe Gershon Baskin dem Standard. "Die Armee ist eine Volksarmee, alle dienen. Im Gegenzug wollen die Menschen, dass alles unternommen wird, um heimzuholen".
Für Politiker kann das wahlentscheidend sein. Im Umfeld eines internationalen Nahostgesandten heißt es etwa, für Olmert habe der Fall Shalit den Umgang mit dem Gazastreifen bestimmt. "Es herrschte die falsche Überzeugung vor, die Hamas durch Druck, also Grenzblockaden, zum Einlenken bringen zu können", erinnert sich der Diplomat an Gespräche mit der israelischen Führung. Diesen Weg dürfte das Kabinett erneut einschlagen: Die Regierung lässt laut Haaretz prüfen, wie der Druck auf die Hamas erhöht werden kann. So könnten die Haftbedingungen der Hamas-Leute verschärft werden. Ob das funktioniert, ist nicht nur aus historischer Erfahrung fraglich. Hamas kann auf Zeit spielen und muss selbst einen Premier Netanyahu nicht fürchten: Denn auch dieser hat in seiner Amtszeit als Premier Gefangene getauscht. (András Szigetvari/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2009)