Was immer der Papst von sich gibt, eines scheint ihm in Gesellschaften, die sich eher an Stimmungen und Kalkül, weniger an Werten und Moral orientieren, gewiss - empörte Kritik. Ganz heftig wird es, wenn Sex im Spiel ist. Die größte Aufregung gibt es in Mitteleuropa. Sie kommt oft von Leuten, die eine Kirche kaum bis nie von innen sehen, die mit zentralen katholischen Glaubens- und Lebensinhalten wenig am Hut haben. So war es bei der Enzyklika "Gott ist die Liebe", die reflexartig als Angriff auf die Emanzipation der Frau missinterpretiert wurde. Unter der Oberfläche entpuppte sie sich als feines philosophisch-theologisches Werk zur Würde des Menschen.

So ist es bei der Afrika-Reise Benedikt des XVI., auf der er - angeblich - die Verwendung vonKondomen gegeißelt hat. Hat er das? Gesagt hat er, dass die Aids-Epidemie "nicht mit der Verteilung von Kondomen gelöst werden kann" . Die einzige Lösung sei "eine spirituelle und menschliche Erneuerung der Sexualität". Nicht mehr, nicht weniger.

Daran eine reaktionäre, menschenverachtende Haltung abzulesen ist stark übertrieben. So spricht ein Geistlicher, der an das "heilige Sakrament" der Ehe glaubt. Das ist weder reaktionär noch konservativ oder progressiv, sondern schlicht katholisch. Der Papst ist eben ein Romantiker. Er glaubt an die Einheit von Liebe und Sex. Soll er sagen: "Nehmt doch bitte ein Kondom, wenn ihr euren außerehelichen sexuellen Vergnügungen nachkommt"? Das ist nicht sein Job, und ein Papst ist kein liberaler Aufklärer - wie sollte er auch. Wer das glaubt, ist selig und/oder naiv. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 19.3.2009)