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Als "Chronistin" auch von Landeshauptmann Josef Pühringer (OÖ) gewürdigt: Gertrud Fussenegger.

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Eine Würdigung.

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Linz - Die in Leonding nahe Linz beheimatete Autorin Gertrud Fussenegger schien den Ansprüchen, die die moderne Lebenswelt an ihre Benützer stellt, seit vielen Jahren selig entrückt.

Fussenegger, aus Pilsen im heutigen Tschechien gebürtig, beschrieb in ihrem reichhaltigen Schaffen eine bedeutungsvolle Kehre. Sie brach als Sinnsucherin auf, um sich in zahlreichen Umschreibungen dem Mysterium der christlichen Frömmigkeit behutsam anzunähern. Oder sich nach dem Geschmack der Zeit zu richten: In der "Mohrenlegende" (1937) wird die "Errettung" eines nach Tirol entführten afrikanischen Buben berichtet. Dieser beobachtet im Tiroler Schnee die Heiligen Drei Könige und muss fortan "kein rechtloser Fremdling" mehr im fernen Kreuzfahrerland bleiben. Fusseneggers Rückgriff auf ein Erlösungsgeschehen, das die Widersprüche des "kalten", totalitären 20. Jahrhunderts kaum mehr zu erklären vermochte, blieb ein Kunstmittel.

Sie vertraute diesem auch dann noch, als das Mysterium - das fragile Lesen und Deuten christlicher Zeichen und Wunder - bereits im Schatten des Totalitarismus verschwand. Die junge, durchaus emanzipierte Autorin verpflichtete sich dem "völkischen" Gedanken. Sie leistete darin mehr, als es ihrer christlichen Weltanschauung vielleicht billig angestanden wäre.

Tatsächlich wurde Fussenegger im Literaturbetrieb der NS-Diktatur nur als "kleines Licht" beschrieben. Und besagte "Mohrenlegende", so unzugänglich ihr Geschehen für uns Heutige erscheinen mag, wurde von den Nazi-Krämern als "Mitleidswerbung für Andersrassige" überhaupt aus dem großdeutschen Literaturhandel gezogen.

Fussenegger, die einige verstörend niederschmetternde, ja verachtenswerte Sätze über jüdische Grabmäler geschrieben hat ("Böhmische Verzauberungen", 1944), machte in der Zweiten Republik eine tadellose Karriere. Ihre Ablehnung der Moderne verschwisterte sich mit dem Geschmack einer Nachkriegsgesellschaft, die in Romanen wie "Das Haus der dunklen Krüge" (1968) die Erschütterungen der zurückliegenden Jahrzehnte dem Wirken einer letztlich unbegriffenen Schicksalsmacht zuschreiben konnte.

Ihr Augenmerk galt vermehrt den Randständigen und Häretikern. In Fusseneggers durchaus kunstvollem Werk wurde die "Entheiterung" der Welt als gottgegebenes Verhängnis in ein mildes Gnadenlicht getaucht. Die Autorin aber wusste, was sie getan hatte: "Das Unglück der Welt haben wir herbeigejubelt", heißt es in "Jubel und bittere Reue".

Die Mutter von fünf Kindern starb jetzt im Kreise ihrer Familie 96-jährig in Linz. (Ronald Pohl, DER STANDARD/Printausgabe, 20.03.2009)