Wien - Die Finanzskandale um Unternehmen wie Meinl European Land (MEL) und Immofinanz haben in den letzten Monaten zur Vorbereitung mehrerer Sammelklage-Aktionen und zu massiver Kritik am Berufsstand der Finanzdienstleistungsassistenten (FDLA) geführt. Im Finanzministerium wird derzeit an der Überarbeitung der Bestimmungen für die Anlageberater gearbeitet. Der grüne Nationalsratsabgeordnete Peter Pilz drängt sogar auf die Abschaffung des Gewerbes FDLA.
Die Debatte hat nun auch den Fachverband der Finanzdienstleister auf den Plan gerufen. Es dürfe nicht zu einer Abschaffung des Berufs FDLA, also des freien Beraters, der Produkte mehrerer Anbieter vertreiben darf, führen, sagte Fachverbands-Obmann Wolfgang Göltl. Der Verband sei aber für die Einführung einer Eingangsprüfung für Finanzberater und habe das schon bei der letzten Gesetzesreform vorgeschlagen. Für die rund 5000 bereits tätigen Berater sollte es nach Ansicht Göltls eine Übergangsfrist von zwei Jahren geben, um die Prüfung nachzuholen.
Nicht zielführend
Göltl hält auch Sammelklagen wegen möglicher Beratungsfehler von Finanzberatern, wie derzeit zum Beispiel vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) gegen den AWD geplant, für nicht zielführend. Er ließ diese Ansicht von der Professorin für Handels- und Wertpapierrecht an der WU-Wien, Susanne Kalss untermauern. Ihrer Meinung nach sind die Voraussetzungen für ein gemeinsames Vorgehen nicht gegeben, weil nicht alle Anleger gleichzeitig durch den gleichen Fehler geschädigt worden seien. Die Klage müsste vom Gericht abgewiesen, jeder Fall einzeln geprüft werden, meinte sie.
"Systematische Mängel"
"Die Rechtsmeinung von Frau Doktor Kalss ist uns bekannt, aber wir halten sie nicht für richtig", sagte VKI-Rechtsexperte Peter Kolba dem Standard. Der VKI werde behaupten und beweisen, dass es beim AWD zu systematischen Beratungsmängeln gekommen sei.
"Aus den bisher ausgewerteten Unterlagen wird immer klarer, dass vom AWD ein offizieller Schein entwickelt wurde und dahinter ist die Realität eines Strukturvertriebes, der niemanden beraten, sondern Aktien verhökert hat", sagte Kolba. Die betroffenen Berater müssten natürlich alle vernommen werden, daraus werde sich aber ein Bild systematischer Falschberatung ergeben.
Würden alle diese Fälle als Einzelklagen eingebracht, würden wir das Gericht lahm legen", erklärte Kolba. Beim VKI haben sich 6500 Anleger gemeldet, die sich vom AWD falsch beraten fühlen. Sie können sich nun an den geplanten VKI-Sammelklagen beteiligen. (Gabriele Kolar, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.3.2009)