Lebenslang für Josef F.

kari: Oliver Schopf

Der Angeklagte nahm das Urteil noch vor der Rechtsbelehrung an.

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St. Pölten - Ohne auch nur eine Faser seines Körpers zu rühren, hört sich Josef F. das Urteil der Geschworenen an. Acht Mal hört er den Satz: "Acht Mal: Ja." Die acht Geschworenen haben ihn in allen acht Anklagepunkten schuldig gesprochen. Insbesondere, weil er seinen Enkel-Sohn ermordet und seine Tochter in eine sklavereiähnliche Lage gebracht hat.

Dann verkündet Richterin Andrea Humer das Strafmaß: lebenslange Haft und Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher. Josef F., ohne zu zögern: "Ich nehme das Urteil an." Es ist somit rechtskräftig.

Zuvor war es in den Schlussplädoyers ums Ganze gegangen. Leidenschaftlich argumentierten Staatsanwaltschaft und Verteidigung - aber letztlich nur noch, um die Antwort auf eine einzige Frage zu finden: Hat Josef F. nach der Geburt der Zwillinge im Kellerverlies seinen schwer erkrankten Enkel-Sohn durch Unterlassung ermordet - oder war es "fahrlässige Tötung - oder gar doch nur ein "ImStich-Lassen" ? Diese Frage hatte sich durch F.s Geständnis am Vortag zugespitzt. Denn einerseits hatte er den Mord gestanden - aber dann zur Krankheit des Babys zugefügt: "Ich hab's überseh'n."

Für Staatsanwältin Christiane Burkheiser war das daher "kein Geständnis, sondern der Versuch, aus einer vorgetäuschten Schwäche eine Stärke für sich zu machen. So, wie er es geschildert hat, wäre es fahrlässige Tötung." F. habe "66 Stunden Zeit gehabt, auf den offensichtlichen Todeskampf des Kindes zu reagieren" . Der Beschuldigte sei nicht reumütig - er habe seine "unglaubliche manipulative Fähigkeit" eingesetzt und damit "uns allen sein wahres Gesicht gezeigt" . Burkheiser: "Josef F. ist es schon einmal gelungen, unter Vortäuschung falscher Tatsachen einen Menschen in eine Situation zu bringen, aus der er nicht mehr herauskam." Indem er seine Tochter bat, ihm beim Transport einer Türe in den Keller zu helfen - um sie dort zu betäuben und einzusperren. Burkheiser appellierte an die Geschworenen: "Tragen Sie nicht diese Türe in den Keller hinunter. Es war Mord aus Unterlassung."

Josef F.s Verteidiger Rudolf Mayer hingegen versuchte, das Opfer als Beweisgeberin heranzuziehen - indem er Aufzeichnungen der Tochter zitierte. In den Tagen nach der Zwillingsgeburt habe sie zwei Tage lang nur allgemeine Notizen eingetragen - und dann, am 1. Mai 1996, den Tod des Babys. Mayer: "Da red ich Ihnen nix ein, das sind die Eintragungen von ihr." Ob er sie im Stich gelassen habe, fragt der Verteidiger - "Im-Stich-Lassen" mit Todesfolge ist ein Delikt, auf das maximal drei Jahre Haft stehen. Gegen den Anklagepunkt "Sklavenhandel" - maximal 20 Jahre Haft - argumentierte Mayer gar nicht mehr an.

Doch dann, als man schon meinte, das sei's gewesen - meldete sich erstmals in diesem Prozess Opferanwältin Eva Plaz zu Wort und sprach für F.s Tochter. Ihre Mandantin hätte nicht aussagen müssen, betont Plaz. "Der Hauptgrund war: Sie will, dass der Angeklagte für den Tod des Kindes zur Verantwortung gezogen wird." Warum sich F. so lange anders verantwortet habe, fragt Plaz - "weil er immer gewusst hat, dass er für den Tod des Kindes verantwortlich ist" .

"Das ist Mord"

Einmal noch zitiert sie jenen Satz, den Josef F. angesichts des sterbenden Kindes gesagt haben soll: "Wie's kommt, so kommt's." Plaz: "Das reicht schon. Das ist bereits Vorsatz. Das ist Mord."
Vielleicht habe der Angeklagte ja einen "Plan B" , warnt die Vertreterin des Opfers. Vielleicht spekuliere er, für Sklaverei 15 Jahre Haft zu bekommen, vielleicht hoffe er für die Zeit in der Anstalt: "Auch Psychiater lassen sich täuschen."

Noch eine vehemente Replik des Verteidigers: "Keiner ist auf das Faktum des Kalenders eingegangen, das die emotionellen Ausführungen widerlegt." Mayer trat wieder einzig gegen die Mordanklage an. So leidenschaftlich, dass er für seine Formulierungen sogar zweimal Gelächter im Saal auslöste.

Dann murmelte Josef F. nur noch: "Ich bereu von ganzem Herzen, was ich der Familie angetan hab. I kann's nimmer gut machen, i kann nach Möglichkeit nur den finanziellen Schaden begrenzen."
Jetzt wird entschieden, ob Josef F. therapiefähig ist - und in welcher Anstalt er untergebracht wird. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 20. März 2009)