Wien - Vielleicht würden sie sich im "Herrschaftssymbolik" -freien und Kunst-vollen Büro von Claudia Schmied leichter tun beim Reden. Aber dort stehen ja nur sechs bunte, stylische Fauteuils zur Verfügung. Und die reichen nicht, um die für Freitag anberaumte dritte Runde zwischen der Bildungsministerin und der neun Mann und eine Frau starken Gesandtschaft der Lehrergewerkschaft zu platzieren. Also werden alle, samt ministeriellem Tross wieder um einen langen Tisch im Audienzsaal des Palais Starhemberg sitzen und versuchen, eine Einigung zu finden.
Eine Einigung, die aber noch in weiter Ferne scheint, denn bis jetzt gibt es keine Annäherung im Streit um die von Schmied gewollte Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden pro Woche zur Entschärfung eines verschärften, weil viel zu knappen Bildungsbudgets.
Wer ist die Ministerin, die sich in einen Machtkampf mit der als nur bedingt bewegungswillig bekannten Lehrergewerkschaft gestürzt hat? Ist es ihr "passiert" ? Oder war es Vorsatz und Absicht, diesen Konflikt auszufechten?
Kenner von Schmied meinen, "die überrascht nichts in der Debatte. Das ist alles durchgedacht." Die promovierte Betriebswirtin ist alles, nur keine Hasardeurin. Im Gegenteil. Bei der Beschreibung der vormaligen Bankerin häufen sich ein paar Attribute auffällig: penibel, detailversessen, sehr systematisch, strukturiert, faktenorientiert, fast exzessiv konsequent.
"Sie holt sich irrsinnig viele Informationen." Beamte aus ihrem Ressort, aber auch externe Experten kommen regelmäßig zum Privatissimum mit der Ministerin. "Sie kann gut zuhören und Fakten in einen größeren Kontext bringen" , heißt es über sie.
Nach diesem Prozess des Selbst-überzeugt-worden-Seins exerziert Schmied ihren Drei-Schritte-Arbeitsstil: "Projekt vorbereiten. Projekt fixieren. Projekt kommunizieren. Wenn sie etwas verkündet, dann ist sie überzeugt, dass es der richtige Weg ist. ,Schau ma mal‘, ist nicht ihres" , sagt ihr Sprecher.
Es gibt aber auch Leute, die denselben Sachverhalt mit einer anderen Färbung schildern: "Wenn sie eine Entscheidung getroffen hat, rückt sie nicht mehr davon ab. Sie ist dann oft hopp oder dropp." Manchmal wolle sie Pläne zu schnell finalisieren, was im Politikbetrieb durchaus systemfremd ankommen kann. "Sie ist auch irgendwie ungeduldig und schätzt langwierige Verhandlungen nicht sehr. Sie ist mehr zack, zack, zack."
Zack, zack, zackig war auch ihre Vorgängerin Elisabeth Gehrer (ÖVP), der Schmied in diesen Tagen die Antigunst der Lehrer ziemlich erfolgreich streitig macht. Insider, die mit beiden, im Stil so unterschiedlichen Ministerinnen - "Gehrer war sehr impulsiv, spontan, gerade heraus, Schmied ist sehr beherrscht, eher introvertiert, bemüht sich aber bewusst um Dialog mit Mitarbeitern" - zu tun hatten, verweisen auf externe Gemeinsamkeiten: "Der Strukturkonservativismus im Bildungsbereich ist enorm, und beide Ministerinnen sind fast daran zerschellt" , so ein Politikanalyst.
Gehrer war am Schluss in ihrem unirritierbaren Selbstbewusstsein ohnehin fast eine Ein-Frau-Show, Schmied hat insofern eine Sonderrolle, als sie als politische Quereinsteigerin (mit einer zweijährigen Erfahrung als finanzpolitische Mitarbeiterin von Finanzminister Rudolf Edlinger) gewisse Rollenspiele in der Politik nicht mitspielt - aus Überzeugung. Aber vielleicht nicht immer ganz zielführend strikt auf Kurs bleibt, kontern andere, "auch dann noch, wenn der Hafen schon geschlossen ist" .
Claudia Schmied akzeptiert dieLehrergewerkschaft als Interessenvertretung, aber nicht als Bildungspolitiker - eine Konfliktzone mit der ÖVP, die die schwarzdominierte Lehrergewerkschaft traditionell als politischen Player mitspielen lässt - oder aus politischem Eigeninteresse lassen muss. (Ein Zustand, der in anderen Politikfeldern mit rot-dominierten Gewerkschaften von der SPÖ allerdings nicht anders gehandhabt wird.)
Für Schmied, die Ministerkollegen als "sehr geschätztes Kabinettsmitglied" , aber "völlig frei von rotem Stallgeruch" beschreiben, ist der gute Kontakt zum Regierungschef daher eine Art politische Rückversicherung, die sie in Werner Faymann aber gefunden hat.
Die beiden - vom Habitus quasi Antipoden: er mit fröhlicher Kleiner-Mann-Attitüde im Allerweltsbüro, sie freundlich-unverhaberungswillig in modernem Raumdesign - stehen in der aktuellen Lehrer-Debatte "sehr eng" in Kontakt.
Faymann "hält" . Eine Gnade, die sein Vorgänger Alfred Gusenbauer Schmied nur so lange zuteil werden ließ, bis sie etwas tat, was sie jetzt auch wieder antreibt: Sie bestellte ihren Kandidaten als Staatsopernchef und nicht des Kanzlers Kompagnon - aus Überzeugung.(Lisa Nimmervoll, DER STANDARD-Printausgabe, 20. März 2009)