Nachdem seit Jahresbeginn die Facebook-Welle über Österreich hereingebrochen ist (was sich nicht nur subjektiv an rapid wachsenden "Freundeskreisen", sondern auch per Web-statistiken messen lässt), zeigt sich dahinter ein weiteres Web-2.0-Pflänzchen: Twitter.
Microblog
Noch führt die Erwähnung von Twitter unweigerlich zur Frage, was dies sei. Obwohl der "Microblog" vor drei Jahren gegründet wurde (wiederholte Berichte u. a. auch auf NetBusiness), ist er hierzulande noch nicht so richtig angekommen. Mit der Frage "Was tust du jetzt?" werden Twitter-User (Gratis-Registrierung auf www.twitter.com) angestupst, in maximal 140 Zeichen zu schreiben, was sie gerade tun oder was ihnen gerade am Herzen liegt.
Der ganzen Welt? Nicht ganz: Nur ihren "Followers", Menschen die aus was immer für Gründen beschlossen haben, diesen Einträgen zu folgen. Und man bekommt immer nur jene "Tweets" (die Kurzmeldungen) von denen zu lesen, denen man beschlossen hat zu folgen.
Mix aus SMS, Blog und Social Network
An einem Tag wie gestern reichte das (schriftliche) Gezwitscher auf meinem Handy von Beschwerden über zehn Zentimeter Schnee vor der Tür, Verwunderung über das Schuldbekenntnis von Josef F., die Frage einer Kollegin in London, wie man am Handy die T9-Texterkennung abschaltet (promtissimo ein knappes Dutzend Antworten) bis zu Michelle Obamas Schulbesuche in Washington D.C.
Twitter gleicht anderen vertrauten Messaging-Tools: SMS oder Chat, was die Textlänge betrifft; Blog, was die Öffentlichkeit betrifft; Status-Meldungen auf sozialen Netzwerken, was den persönlichen Kontakt betrifft.
In den Medien
Mediale Beachtung erhielt Twitter, als während der Terroranschläge in Mumbai Hotelbewohner per Tweets informierten; dieser Tage kamen Nachrichten aus Madagaskar via Twitter - ein Emigrant in den USA übersetzte persönliche Informationen von der Insel in knappen Zusammenfassungen. In Florida scheiterte vergangene Woche ein Prozess, weil Juroren aus dem Gerichtssaal Tweets schrieben (und nach nicht zugelassenen Beweismittel googelten).
Bei uns sind es vorerst die üblichen Verdächtigen, die als andere tätig werden: Journalisten und TV-Moderatoren, oft mit Links zu Geschichten. Vertreter von Selbsthilfegruppen, die neue Kommunikationswege stets früher entdecken. Der eine oder andere Freund.
Ein weiterer Internet-Zeitdieb?
Was zur Frage nach der Nützlichkeit führt - oder ob Twitter nur einfach ein weiterer Internet-Zeitdieb ist. Ein bisschen von beidem: Viele neue Online-Entwicklungen laufen über Neugier und kindlicher Lust am Ausprobieren, während sich der Nutzen erst später herausstellt. Als Twitterer muss man umdenken: Ein gewisses Maß an Selbstdarstellung ist gefragt - sonst gibt es auch nichts zu lesen (außer den Tweets der Kommunikations-Profis). Preisgeben ist dabei eher im Sachlichen als im Persönlichen angesiedelt, weil der Zuhörerkreis unbestimmt ist.
Tweets funktionieren übrigens am besten am Handy, wie gemacht für die kurzen Wartezeiten im Alltag. Vielleicht ist es ja auch nur das Bedürfnis nach menschlichem Smalltalk, das uns zum Zwitschern treibt. (Helmut Spudich/ DER STANDARD Printausgabe, 20. März 2009)