Bild nicht mehr verfügbar.

Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommt es auf bunte Vielfalt in Unternehmen an - auch für tieferes Verständnis im Organisationsprozess

Foto: REUTERS/Chip East

Zur Person

Roland Engel ist Organisationsberater und Trainer für Diversity Management und ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der ASD-Austrian Society for Diversity

Foto: Austrian Society for Diversity

derStandard.at: Das Thema Diversity hat es mehr oder weniger auf den Unternehmentisch geschafft. Wird es nun wieder unwichtiger - im Gedanken an die Krise?

Engel: Wir arbeiten hauptsächlich mit NGOs und NPOs, die haben nicht die selbe Betroffenheit wie Privatunternehmen. Aber es ist zweierlei zu beobachten. Einerseits wird wieder mehr gespart und da eher an Soft-Faktoren, wo der Return on Investment nicht so schnell sichtbar ist. Auf der anderen Seite: Wir haben eine Definition von Diversity, wo es um die Handhabung jeder Form von Unterschiedlichkeit in einem sozialen System geht - nicht nur die Antidiskriminierungsebene, die sehr wichtig ist - sondern auch ein tieferes Verständnis dafür wie eine Organisation oder Gruppe mit Unterschiedlichkeiten umgeht.

Gerade jene Organisationen, die Diversity Management implementiert haben, wenden diese Fähigkeit mit Unterschieden umzugehen auch an auf andere wichtige Felder. Im Moment ist gerade aktuell: Führungskräfte versus Betriebsräte oder unterschiedliche Abteilungskulturen in Kombination mit Geschlechtskultur. Das Wissen ist also auf der Organisationsebene auch sehr hilfreich. Bei konkreten Förderungsprogrammen wird aber eher gespart.

derStandard.at: Das heißt konkrete Programme für Frauenförderung, Integration von Migranten oder älteren Arbeitnehmern leiden unter Sparprogrammen?

Engel: Ja, aber es kommt auch darauf an welches Kundenportfolio die Organisationen haben. Der NPO-Bereich ist weniger von der Krise betroffen, hat mehr Spielraum, bekommt mehr Förderungen, weil der soziale Druck stärker ist. Die ältere Generation und der Gendergap sind zwei große Themen und Immigration - vor allem in Wien. In den meisten Organisationen - Schulen, Colleges, Ämtern - wird aber meist nur "Feuer gelöscht", es gibt wenige langfristige Initiativen.

derStandard.at: Was meinen Sie damit?

Engel: Ein klassischer Fehler: Die Kundengruppe hat 50 bis 60 Prozent migrantischen Hintergrund, in der Organisation spiegelt sich aber diese Repräsentanz nicht wider. Dann wird eben pro Abteilung jemand mit migrantischem Hintergrund aufgenommen. Dabei wird aber ein ganz wichtiges Diversity Prinzip vergessen: no single minority. Das Prinzip kann nicht funktionieren, weil die Person meist unter einem so großen Anpassungsdruck leidet, dass sie gleich wieder geht oder es finden sich keine neuen Mitarbeiter, wie es bei der Polizei im Moment der Fall ist.

derStandard.at: Wie geht es den NGOs und NPOs derzeit?

Engel: Die Fluktuation ist nicht so stark wie am Profit-Markt, aber trotzdem sind gerade gute Personalisten sehr wichtig für die Motivation. Krisenintervention, Prozessoptimierung, gemeinsame Spielregeln finden, Notlösungsstrategien sind derzeit stark nachgefragt. Tendenziell ist der Markt aber weniger von der Rezession betroffen, aber der Druck ist schon da schnell Lösungen zu finden.

Corporate Identity ist da ein großes Thema. Der Nachteil im Vergleich zum Profitbereich ist, dass die Personalisten in NPOs und NGOs überlastet sind und schlecht bezahlt. Die gehen dann und das ist sehr schlecht für eine so eine Organisation, weil man dort viel länger braucht um die Unternehmenskultur zu kennen und das ist im Personalbereich ganz wichtig. Es gibt jetzt viele, die wieder in den Beratungsbereich gehen oder sich selbständig machen. Das ist ein indirekt bestimmter Druck der Krise.

derStandard.at: Ist es nun für den NPO-Bereich einfacher zu rekrutieren?

Engel: Das Recruiting läuft hier sehr viel über informelle Netzwerke, nicht so offen, sondern über Beziehungen und in den eigenen Organisationen. Wir empfehlen jüngeren Menschen erst einmal in die Organisation einzusteigen und dann wird geschaut, dass innerhalb quer-recruited wird. Das führt aber nicht dazu, dass immer die besten Leute an die richtigen Stellen kommen. Fluktuation ist die größte Gefahr, daher ist es wichtig in die Corporate Identity zu investieren und die Menschen zu binden, weil der Druck stärker wird.

derStandard.at: Bietet die Krise Ihrer Meinung nach auch Chancen?

Engel: Für die eigene Corporate Identity ist es langfristig gesehen gut in Diversity Management zu investieren. Eine Organisation sollte wissen, wie sie mit ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten umgeht und sie besprechbar macht. Das kann alles sein: Alter, Geschlecht, aber auch Bildungskulturen, Arbeitskulturen. Sind diese Dinge besprechbar bleiben die Leute, wenn nicht, wird es langfristig schwierig für die Leute sich zu identifizieren. Menschen leiden oft darunter, dass sie einfach schlechte Führungskräfte haben. Es genügt eine Person und wenn man dann das Gefühl hat, ich kann nicht um die herum, dann geht man lieber woanders hin. Schlecht ist auch, wenn es keine Feedbacksysteme von unten nach oben gibt. (Marietta Türk, derStandard.at, 24.3.2009)