Bild nicht mehr verfügbar.

Heftige Diskussionen über die zu beschreitenden Wege im KarrierenSTANDARD

Foto: REUTERS/Robert Galbraith

Helga Kromp-Kolb (Institut für Meteorologie)

 

Foto: Standard/Regine Hendrich

Christian Friesl (Industriellenvereinigung)

Foto: Standard/Regine Hendrich

Wolfgang Pekny (Footprint)

Foto: Standard/Regine Hendrich

Fred Luks (UniCredit Bank Austria)

Foto: Standard/Regine Hendrich

Christian Felber (Attac)

Foto: Standard/Regine Hendrich

Wo stehen wir? Wie sieht unsere Welt nach der Krise aus? "Die Bereitschaft für einen fundamentalen Wechsel ist sehr, sehr groß", sagt Christian Felber, Gründer und Sprecher der auf allen Kontinenten tätigen Globalisierungskritiker Attac. Damit meint er den Sturz eines Systems, das auf "Gesetze zur Beförderung von Gier und Geiz" basiere, das Ausleben menschlicher Schwächen fördere, eine bestimmte Schicht von Gewinnern "produziert" habe. Neue Gesetze sollten "positive Eigenschaften, Solidarität, Großzügigkeit, Verantwortung" verlangen.

Christian Friesl, Leiter der Gesellschaftspolitik in der Industriellenvereinigung, ist das "zu totalitär". Er will keinen neuen Gesetzeszwang, kann auch der Felber'schen Theorie des vorsätzlich Herbeigeführten an der gegenwärtigen Krise nichts abgewinnen. Felber kontert: Allein die Wall Street habe in den vergangenen Jahren über fünf Milliarden Dollar für Lobbying gegen Regulative im Derivatenbereich ausgegeben. Wolfgang Pekny (Geschäftsführer der Plattform Footprint und Gründer der Initiative Zivilgesellschaft) sowie Klimaexpertin Helga Kromp-Kolb (Institut für Meteorologie, Uni Wien) stimmen grundsätzlich zu, berichten von ihren "vollen Vortragssälen".
Pekny: "Wir können jetzt verhindern, dass weiter das Falsche gemacht wird. Wir sind am Ende eines globalen Pyramidenspiels."

Zu ihrem Kernbereich, dem Klima-Thema, sagt Kromp-Kolb: "Wir stehen an der Kippe. Ob wir es in den Griff kriegen, wissen wir nicht." So wie Felber und Pekny sieht auch sie die "kritische Masse" für eine radikale Veränderung, eine radikale Abkehr vom sogenannten neoliberalen Konzept. Es fehle lediglich die Initialkraft. "Die Soziologen sagen, wir brauchen 15 Prozent. Die haben wir."

Andere Kräfte

Politik und Medien teilt sie dabei "die Chancen" zu: "Diese Entwicklung ist nicht passiert, es lagen ja Ziele und Lobbying auf dem Weg, es wurde alles gemacht, um den menschlichen Schwächen entgegenzukommen. Da muss man jetzt dagegenarbeiten. Mit anderen Kräften, getragen von der Zivilgesellschaft."

Ob nicht knapper werdende Ressourcen eher Entsolidarisierung und Verteilungskampf bedeuten? Kromp-Kolb: "Natürlich warten nicht alle auf die Erlösung. Natürlich beginnt der Streit, wenn es knapper wird. Aber wir dürfen doch nicht jeden niedrigen Instinkt fördern."
Wenn so weite Teile der Zivilgesellschaft bereit für den Wandel weg vom puren Wachstums- und Gewinnimperativ seien, fragt Fred Luks, Nachhaltigkeitsmanager der UniCredit Bank Austria, "warum sind dann die Wahlergebnisse so stark abweichend?" Luks hat auch wissenschaftlich umfangreich zu Fragen der ökonomischen Nachhaltigkeit gearbeitet, spricht dem derzeitigen System nicht bloß seine Zukunftsfähigkeit sondern schon seine Gegenwartsfähigkeit ab - allerdings weniger massiv in den Forderungen: Er sieht „viele Türen offen, die vorher zu waren, viele neue Möglichkeiten, über die Begrenztheit nun anders zu diskutieren".

Die Entscheidung für einen Wandel falle in der Gesellschaft, nicht in den Firmen, sagt Friesl, Luks: "Ja, es ist eine Machtfrage. Eine Frage der Konsumentenmacht." Beim Nachhaltigkeitsthema gehe es auch darum, etwas "zu lassen".

Eine Frage der Werte

Für den studierten Theologen Friesl ist "zentral, was auf der Einstellungsebene passiert. Es ist eine Frage der Werte, sie wird entscheiden, welche Ergebnisse die gegenwärtige Krise formt."
Kromp-Kolb sieht das radikaler: "Die Ökologie muss den Primat vor der Ökonomie haben. Wenn das nicht ankommt, kommen wir in ganz andere Krisen." Die Wirtschaft muss Dienstleister der Gesellschaft sein, so die Klimaexpertin. Daraus könne man Forderungen ableiten - solange diese Eckpfeiler aber nicht klar seien, wirke keine kurzfristige Maßnahme in sinnvoller Weise.
Zur Angst vor sozialen Unruhen sagt sie: „Wenn wir nicht rasch überzeugendes Gedankengut konsensfähig auf den Tisch legen, wird sich Gewalt nicht verhindern lassen. Es geht aber nicht nur um die Befriedigung der potenziellen Arbeitslosen von morgen."

Felber will notwendige Geldmittel für Konjunkturpakete und Anreizsysteme im Wandel „von den Reichen" nehmen, die, wie Pekny sagt, „geschützt werden". Ab einer Million Finanzvermögen soll es richtig in die Prozente gehen. Dass genug da sei, zeige ja der "World Wealth Report" der Merrill Lynch. Ökonomische Macht müsse aufgeteilt werden. Banken demokratisiert und ihres Geldschöpfungsmonopols enthoben. Für 28. März ruft er auch in Wien zur Demonstration "Wir zahlen nicht für eure Krise" auf.

Friesl mahnt zur Achtsamkeit im Umgang mit Feindbildern. Felber kontert, er sehe das System nun einmal als eines, das uns an den Abgrund geführt habe. Es gehe um mehr Demokratie, um mehr Mitbestimmung, um Zivilgesellschaft. Allein dass die ärmsten Länder nicht am Tisch der Neuregelung der Finanzmärkte sitzen, zeige doch, was falsch laufe. (Karin Bauer, Gudrun Ostermann, DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.3.2009)