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Schlechtwetter? Nebel ist für die Atmosphäre des Museumsschiffs "Rickmer Rickmers" so wichtig wie der Seeräuber Pfeiffer als Sprachrohr eines kopflosen Störtebekers.

Die Stadtführung "Hamburger Stadtgeflüster" vom Theater Mignon beginnt je nach Jahreszeit um 20 oder 21 Uhr, Dauer: 2 Stunden. Die Reservierung ist empfehlenswert. Vorverkauf: 0049/40/30 05 16 66 sowie an mehreren Vorverkaufsstellen in Hamburg. Preis: 29 Euro (23 Euro ermäßigt). Die „Klabauter-Nacht", jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat, 20.30 Uhr, an Bord der Cap San Diego (Landungsbrücken, derselbe Preis), eignet sich gut als Schlechtwetterprogramm.

Foto: Theater Mignon

Air Berlin fliegt mehrmals täglich von Wien nach Hamburg; mit der neuen Flughafen-S-Bahn gelangt man direkt und im Zehn-Minuten-Takt zum Hauptbahnhof (2,70 Euro).

Die "Hamburg Card", die Touristen auch freie Fahrt mit den Öffis im Verkehrsverbund ermöglicht (inkl. Flughafen), ist praktisch bei mehreren geplanten Besuchen von Museen und Sehenswürdigkeiten (Ermäßigung).

Foto: Hamburg Tourismus

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Die Touristeninformation der Hansestadt ist an vielen Orten präsent, etwa im Hauptbahnhof (Hauptausgang Kirchenallee), Montag bis Samstag 8.00-21.00 Uhr, Sonntag/Feiertag 10.00-18.00 Uhr.
Hamburg profitiert von den lebendigen Geschichten seines Hafens. Das Kapitel "Klaus Störtebeker" ist dabei ein krisensicherer Kassenschlager.

Barfuß springt Jakob Pfeiffer hinter einem Brückenkopf hervor und schreit: "Du schäbige Landratte!" Es ist das Jahr 1401, und Pfeiffer hat erst vor wenigen Tagen zugesehen, wie dem Seeräuber Klaus Störtebeker mit dem Scharfrichterschwert das Haupt vom Körper gesäbelt wurde. Als wiedergekehrter Zeitzeuge erzählt er heute Touristen die schaurige Geschichte von Störtebeker - eine von vielen in Hamburg auf den Pfaden durch die dunkle Vergangenheit des Hafens.

Hamburg kann es sich zurzeit durchaus erlauben, seinen Gästen solche Schauermärchen zu präsentieren, denn die Touristiker haben keine zu berichten: Mit 4,1 Millionen Gästen verzeichnete die Stadt im Jahr 2008 einen neuen Besucherrekord. Verantwortlich dafür sind in hohem Maß auch jene Quellmärkte, die Jakob Pfeiffer so nett als "Landratten" umschreibt: Reisende aus Binnenländern. Die Österreicher etwa ließen sich 2008 in Hamburg fast 16 Prozent Prozent häufiger blicken als noch im Jahr zuvor. Seemannsgarn wird daheim nicht gesponnen, lebendige Geschichten aus einem hören sie offenbar gern.

"Elf Männer!" Ein dicker, goldener Ring hängt Pfeiffer vom linken Ohr herab, mit einem weißem Kopftuch bündelt er seinen Haarschopf. Die fellgefütterte braune Weste hängt ein wenig zu weit über seinen Schultern. Der Pfad am Ufer der Binnenalster liegt schon im Dämmerlicht, und die Pfeiler der Brücke werfen schwarze Schatten. "Elf Männer schritt der kopflose Störtebeker nach seiner Hinrichtung auf dem Grasbrook noch ab", erzählt dessen Kompagnon mit schwankender Stimme und bereits weit nach vorne gebeugt. "Das war das schaurigste Schauspiel, dass ich je erlebt habe!" Und wohl nicht ganz zufällig spült eine große Welle den Seeräuber Pfeiffer dann von Bord, einen Tag vor der Gefangennahme der Seeräuber durch die Hamburger Hanse.

Zugeflüstert von Pfeiffer

Beim "Hamburger Stadtgeflüster" des Theaters Mignon werden 700 Jahre Hamburger Stadtgeschichte an historischen Orten lebendig. Zwei Stunden lang führt der "Schlupwächter", der Nachtwächter Jan Ellerbrock also, Gäste durch das alte und neue Hamburg. Seeräuber wie Jakob Pfeiffer und andere Stadtpersönlichkeiten, dargestellt von professionellen Schauspielern, tauchen plötzlich auf und erzählen an verschiedenen Stationen ihre und somit auch Hamburgs Geschichte. Heute ist das Hinrichtungsfeld Störtebekers, der Grasbrook, noch immer als sogenannter "Großer Grasbrook" Teil der neuen Hafen-City und der historischen Speicherstadt von Hamburg. An der Stelle, an der Störtebeker seinen Kopf verlor, steht ein Denkmal. Und mitten in dieser Speicherstadt liegt auch das "Hamburg Dungeon", eine noch öfter besuchte Gruselstation.

"Weiter, nichts anfassen, sonst Kopf ab", krächzt eine Gestalt mit verfaulten Zähnen. Aschgraues Gesicht, die langen Haare sind verfilzt. Er schlurft voraus, zieht sein linkes Bein hinterher. Der Vorhang flattert, ein kalter Windzug zieht durch den engen, sonst muffigen Gang. Eine Gruppe von Besuchern folgt langsam in eine Hafenspelunke aus grobem Holz, mit einem zerbeulten Blechkrug und einer Bierflasche auf dem Kaminsims. In der Mitte steht ein Tisch. Die Wände sind an vielen Stellen vergilbt, und es ist dunkel, nur an einigen Stellen erhellt warmes Licht ein Bild oder ein Stück Holz.
Klabautermann klopft an

"Ein Seemann macht gerade die Planken sauber", erzählt die historisch nur schwer einordenbare, aber immerhin furchterregende Gestalt mit rasselnder Stimme, "da klopft es." Ein mysteriöses Pochen, von dem der Matrose gleich den anderen berichten muss: "Der Klabautermann hat gerufen!" Die anderen Seemänner lachen ihn nur aus und stechen in See, doch das Schiff fängt wenig später Feuer, und abermals geht nur ein einziger Überlebender an Land.

Die oft erzählte Geschichte vom Klabautermann führen im Hamburg Dungeon ebenfalls Schauspieler auf. Freilich, auch von Störtebeker hören die Besucher wieder, oder von der Pest und einer Jahrhundertflut in Hamburg - ein Querschnitt der schlimmsten Momente für die Stadt soll geboten werden. Durch die engen Flure und verwinkelten Räume zwängen sich die meisten aber, um nach eineinhalb Stunden endlich dem sagenumwobenen Schiffsgeist zu begegnen.

Der allerdings ist längst im Schiffsbau eingezimmert. Und seine in einem Baum gefangene Seele bekommt nach der Hamburger Interpretation der Sage auch neue Schattierungen, denn als guter Schiffsgeist und mordender Kobold wird der Klaubautermann hier gleichermaßen beschrieben: Hilft der gute Geist dem tüchtigen Seemann und dichtet sein Schiff, klopft und hämmert er an den Schiffsbug, um lecke Stellen oder Untiefen zu zeigen. Der bösartige Kobold hingegen führt mit einem gewissen Gerechtigkeitssinn die verbrecherische und saufende Seemannschaft - vor allem aber jene, die an ihm zweifelt - todsicher in das feuchte Grab. "Das Klopfen und Ächzen, das haben viele ignoriert", flüstert die Gestalt zum Abschied im Hamburg Dungeon.

Auch die "Rickmer Rickmers" ächzt und stöhnt. Das als Dreimaster getakelte Museumsschiff liegt normalerweise nicht auf der Route der Schauspieler. Bei Nacht und vielmehr noch bei Nebel gehört sie aber zu jenen Stationen, die die Atmosphäre alter Seeräubergeschichten auch ohne Inszenierung wiedergeben können. "Keine Stöckelschuhe" steht da und "Besteigen der Wanken verboten" - die Besucher posieren bereits am Steuerrad und schlagen die Messingglocke hell. Auf der nebenan ankernden „Cap San Diego", die wiederum das Theater Mignon für seine "Klabauternächte" benützt, geht die Seefahrtsgeschichte nahtlos weiter - so wie auch auf den anderen theatralisch noch nicht gehobenen Schätzen: Das russische "U-Boot 434" und wohl auch das im Sommer noch verkehrende Dampfschiff "Schaarnhörn" ergänzen die lebendigen Legenden.

Speicherstadt, die Landungsbrücken und der Fischmarkt - alleine diese drei Stationen am Festland sind bereits zu viel Programm für einen Tag am Hafen. Wer sich nicht unbedingt von den zahlreich kreuzenden Kähnen bei einer Rundfahrt einen Überblick von der Hafenkulisse verschaffen will, tut das am einfachsten vom Wahrzeichen der Stadt. Der Michel, wie die Hamburger ihre Hauptkirche St. Michaelis nennen, ist der höchste begehbare Turm Hamburgs und für diesen schnellen Panoramablick ebenso gut geeignet wie als Treffpunkt. Wenn die vier Schauspieler und Zuflüsterer der Hamburger Gruselgeschichten vom Theater Mignon am Michel auf ihre Gäste warten, werden jedenfalls auch die roten Backsteinbauten der Speicherstadt wenig später zur Kulisse.

Mit seinen alten Kontoren und Hallen verweist der größte zusammenhängende und auf Eichenpfählen gegründete Lagerhauskomplex der Welt auf die lange Hamburger Tradition als immer noch freie und auch überdurchschnittlich reiche Hansestadt. Die begüterten Handelsleute, auch "Pfeffersäcke" genannt, prägen die Stadt seit jeher, auch wenn die Museen und Ausstellungsräume nach und nach die Quartiersleute und Importeure verdrängen. Und wie man von Jakob Pfeiffer hört, waren sie schon 1401 ziemlich erzürnt, wenn ihnen jemand die Pfründe abjagte.

So war es auch nur eine Frage der Zeit, bis sie den existenzbedrohenden Seeräuber Störtebeker zur Strecke brachten. Dass dies tatsächlich geschah, ist gewiss, nur: In den 600 seither vergangenen Jahren bildeten sich schaurige Geschichten um diesen Umstand. Als so der äußerst starke und trinkfeste Seeräuber am 21. Oktober 1401 auf dem Hamburger Grasbrook zum Schafott schritt, ließ er sich der Sage nach vom Hamburger Bürgermeister eine Bitte gewähren. Alle Männer, die er noch ohne Kopf abschreiten würde, sollten begnadigt werden.

"Beim elften Mann wurde es dem Henker Meister Rosenfeld zu viel, und er stellte dem kopflosen Störtebeker ein Bein", erzählt der Seeräuber Jakob Pfeiffer vom Theater Mignon im Schein der flackernden Kerzen mit bebender Stimme. "Der Bürgermeister brach sein Versprechen, ließ alle 76 Mitgefangenen köpfen und ihre Häupter auf Pfählen am Hamburger Hafenrand aufspießen." Die langen Schatten und das dunkle Wasser der Unter-elbe wirken im Dämmerlicht jetzt noch etwas bedrohlicher - hinter der nächsten Ecke lauert eine weitere Schauergeschichte. (Jörg Stroisch/DER STANDARD/Printausgabe/21./22.3.2009)