Mit dem Prozessende im Inzest-Fall von Amstetten steht auch das Ende der Zuständigkeit der Justizbehörden in der Opferbetreuung bevor. Die Behörden, die während des Verfahrens gegen Josef F. dafür gesorgt haben, dass die Opfer betreut werden, dass sie während des Prozesses begleitet werden, dass eine Opferanwältin auf Kosten des Ressorts bereitgestellt wird und dass auch die entsprechende Abschirmung in medienrechtlicher Hinsicht vorhanden war, werden sich nun bald zurückziehen. "Irgendwann endet dann die Zuständigkeit der Justiz", sagte Christian Pilnacek vom Ministerium am Freitag.

Die medizinische und psychologische Betreuung erfolgt in Zukunft über die Krankenversicherung, sofern die Opfer versichert sind. Wenn nicht, könnte man dies Pilnacek zufolge auch über das Verbrechensopfergesetz abwickeln. Was die finanzielle Absicherung betrifft, gebe es einerseits entsprechende Ansprüche gegen den Täter und "wohl auch eine entsprechende Unterstützung im Sozialwege", sagte der Experte. Das sei allerdings Sache des Sozialressorts.

Gesetzeslücke

Eine gewisse Lücke bestehe im Verbrechensopfergesetz. Zwar seien Schäden wie Verdienstentgang darin abgegolten, aber immaterielle Verluste - Stichwort Schmerzensgeld und Ähnliches - nicht. Verbesserung versprach sich Pilnacek durch eine im Gewaltschutzpaket vorgesehene Erweiterung des Verbrechensopfergesetzes in dieser Hinsicht.

Über die wirtschaftliche Situation der Opfer von Josef F. konnte Pilnacek keine Auskünfte geben. Was die Ansprüche an den Täter betrifft - dazu gehören auch auf dem Zivilrechtsweg einklagbare Schadenersatzforderungen -, bleibt auch fraglich, inwiefern die realisierbar sind. Über Josef F. wurde ein Konkursverfahren eröffnet. Bevorzugt würden die Opfer jedenfalls bei einer Veräußerung der Liegenschaften, die dem Verurteilten gehören, nicht automatisch. Das hänge auch von den Einträgen in den Grundbüchern ab. Aber: "Für den Moment, glaube ich, sind sie gut versorgt", sagte Pilnacek.

Keine Stellungnahme

Von der Tochter Josef F. gibt es vorerst keine Stellungnahme zum Urteil. Die mittlerweile 42-jährige Frau hatte sich während des Prozesses ins Klinikum Amstetten-Mauer zurückgezogen, aber von dort aus völlig überraschend zweimal die Verhandlung gegen Josef F. besucht. Die rechtskräftige Verurteilung ihres Peinigers könnte sie als "entlastend" empfunden haben, meinte die Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner am Freitag.

Kastner betonte, sich nicht über den speziellen Fall äußern zu wollen, weil sie die Tochter von Josef F., den sie im Auftrag des Landesgerichts St. Pölten untersucht und für geistig abnorm befunden hatte, nicht kenne. Aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus gebe es bei von sexuellem Missbrauch Betroffenen - "das Wort 'Opfer' vermeide ich, das klingt mir zu sehr nach Opferlamm" - aber zwei Gruppen: Jene, die nach der Festnahme des Täters das Erlebte verdrängen und an einer gerichtlichen Aufarbeitung nicht interessiert sind, und solche, die am Strafverfahren mitwirken und bereit sind, gegen den Angeklagten auszusagen. Dazu hatte sich die Tochter von Josef F. entschieden.

Die Betroffenen, die gegen ihre Peiniger auftreten, erhoffen sich oftmals, "dass das Urteil etwas gut macht. Sie wollen, dass zumindest das Unrecht von der Gesellschaft erkannt und öffentlich festgestellt wird. Das kann entlastend sein", erklärte Kastner. Die Hoffnung auf Wiedergutmachung wird jedoch häufig enttäuscht. Der hohen Erwartungshaltung an das Strafverfahren und eine allfällige Verurteilung des Täters folge oft "die Einsicht, dass der Prozess nicht heilen kann, was man erlebt hat. Das kann nie dieselbe Dimension haben. Ein Urteil kann das Erlebte nicht gutmachen. Das ist nicht reparabel", betonte Kastner. Insofern ist nach Ansicht der Expertin mit einem rechtskräftig erledigten Strafverfahren der Aufarbeitungsprozess für die Betroffenen nicht abgeschlossen. Das, was der Täter angerichtet hat, "die Last der Vergangenheit", sei allein damit "nicht heilbar". (APA)