Wien - Der Umgang mit alten Damen erfordert Vorsicht. Die greisen Mütter der Gesellschaft wollen nicht nur dankbar umhegt und gewürdigt werden. Sie verbieten nicht nur jede unangebrachte Fürsorge, sie sprechen mitunter auch Warnungen gegenüber jenen aus, die es allzu gut mit ihnen meinen.
In John Patricks Boulevardkomödie "Eine etwas sonderbare Dame" kann ein geldgieriges Geschwistertrio sein eigennütziges Drängen hinter der vermeintlichen Wohlfahrt nicht verbergen. Die "sonderbare Dame", seine Stiefmutter, der es einen Alterswohnsitz gesichert hat, findet sich nämlich im mit Leder ausgepolsterten Aufenthaltsraum (Ausstattung: Achim Römer) einer Klinik wieder.
Allerdings hat die vife Lady kluge Vorkehrungen getroffen: Die 100 Millionen Dollar Privatvermögen hat sie in ein handliches Bündel Staatspapiere zu je fünf Millionen verwandelt und gut versteckt. Die Erben toben. Sie haben bezeichnende Namen wie Lily Belle (Doina Weber, in allen Farbtönen zwischen Pink und Magenta) oder Titus (Alexander Waechter, als schleimiger Senator in grobem Karomuster zum Schottenstoff), sie flehen und schmeicheln, ehe sie der Mutter Gewalt androhen.
Die herzensgute Mrs. Savage (Elfriede Ott) landet in der Regie von Wolf-Dietrich Sprenger in den Wiener Kammerspielen aber an einem Ort, der sicherer nicht sein könnte. Denn die Patienten der psychiatrischen Klinik nehmen den Neuzugang fürsorglich auf.
Elfriede Ott, die vor genau 50 Jahren ihren ersten Josefstädter Ensemblevertrag unterschrieb, wurde bei der Premiere am Donnerstag zur "Doyenne der Josefstadt" ernannt. Sie übernimmt diesen Titel auf Lebenszeit von der im Februar verstorbenen Susanne von Almassy. Dem Publikum gegenüber betonte Ott, wie wichtig ihr der Austausch mit ihren jungen Kollegen sei und wie wertvoll zugleich auch für diese das Gedenken an die "großen Darsteller der Josefstadt" wäre.
Sprengers Inszenierung der "etwas sonderbaren Dame" dürfte daher ganz in ihrem Sinne geraten sein: Ruth Brauer, Hilde Dalik und Katharina Pichler sind die jungen Darstellerinnen, die das Spiel der neuen Josefstadt-Dienstältesten mit gebotener Vorsicht flankieren. Ein überzeugender Solo-Abend, nicht für, sondern von Elfriede Ott. (Isabella Hager, DER STANDARD/Printausgabe, 21./22.03.2009)