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Für die britische Justiz Hauptverdächtiger im Mordfall Litwinenko: Andrej Lugowoi.

Foto: AP/Misha Japaridze

Moskau/Wien - Wer wird am 7. Februar 2014 als Bürgermeister die Olympischen Winterspiele in der Schwarzmeerstadt Sotschi an der Seite des russischen Präsidenten eröffnen: Andrej Lugowoi, der Mann, der von der britischen Polizei des Mordes an dem Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko beschuldigt wird; Alexander Lebedew, Milliardär und wie Lugowoi Ex-Geheimdienstler; oder Boris Nemzow, einstiger liberaler Wirtschaftsreformer und Vizepremier unter Präsident Boris Jelzin und jetzt ein Hoffnungsträger des neuen Oppositionsbündnisses Solidarnost (Solidarität)?

Die Bürgermeisterwahl in Sotschi findet vorzeitig am 26. April dieses Jahres statt. Der erst im Sommer 2008 gewählte Amtsinhaber Wladimir Afanassenkow war nach drei Monaten aus Gesundheitsgründen zurückgetreten.

Für Solidarnost, die im vergangenen Dezember gegründet wurde und bisher noch an keinen Wahlen teilgenommen hat, ist es der erste Stimmungstest. Der prowestlich-liberale Nemzow, selbst in Sotschi geboren, entschied sich für die Kandidatur, nachdem er eigenen Angaben zufolge von vielen Bürgern der Stadt dazu ermuntert worden war. Hintergrund sind wachsende Proteste gegen die Vorbereitungen auf die Spiele. Viele Bewohner fürchten Enteignungen ihrer Häuser oder Grundstücke.
Diesen Unmut will sich auch die sogenannte Liberaldemokratische Partei (LDPR) des Ultranationalisten und Politrabauken Wladimir Schirinowski zunutze machen. Sie schickt Andrej Lugowoi ins vorolympische Rennen. Der Inhaber einer Sicherheitsfirma und ehemalige KGB-Agent ist die Nummer zwei der LDPR. Bei der Duma-Wahl 2007 rangierte er auf der Parteiliste gleich hinter Schirinowski.

Internationaler Haftbefehl

Die Popularität Lugowois - und das sagt einiges über die Verhältnisse in Russland - rührt vor allem daher, dass ein westliches Land seine Auslieferung verlangt. Nach Überzeugung der britischen Polizei hat Lugowoi gemeinsam mit seinem Ex-Kollegen Dmitri Kowtun im November 2006 in London den kremlkritischen ehemaligen KGB-Agenten Litwinenko mit radioaktivem Polonium vergiftet. Gegen Lugowoi besteht ein internationaler Haftbefehl. Moskau verweigert aber seine Auslieferung an Großbritannien.

Schirinowski, der stets auf Kreml-Linie ist, will mit der Kandidatur Lugowois auch seinen Intimfeind Nemzow treffen. Nemzow hatte im Präsidentschaftswahlkampf 2008 den Kreml scharf kritisiert, seine eigene Kandidatur dann aber zurückgezogen, weil die Wahl eine "Farce" gewesen sei. In einer Fernsehkonfrontation schütteten Schirinowski und Nemzow einander ein Glas Wasser ins Gesicht.

Eine Londoner Geheimdienstvergangenheit hat pikanterweise auch Kandidat Alexander Lebedew. Der heutige Unternehmer und Milliardär arbeitete in den 1980er-Jahren in der sowjetischen Botschaft in London als Wirtschaftsattaché für den KGB. Inzwischen tritt Lebedew als Kreml-Kritiker auf. Er ist Miteigentümer der Zeitung Nowaja Gaseta, für die die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja schrieb.

Vor kurzem erwarb Lebedew, der auch Anteile an der Fluggesellschaft Aeroflot hält, die Mehrheit an der Londoner Zeitung Evening Standard. Als Präsident des Moskauer Internationalen Instituts für Globale Entwicklung zählt er zu den Sponsoren des in Wien ansässigen europäisch-russischen Forschungszentrums Iceur. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.3.2009)