Streit im Gemeindebau wird oft als Konflikt aus ethnischen Gründen erlebt - auch wenn es in Wirklichkeit um Handfestes geht.

Foto: Christian Fischer

Wien - Beschwerden angestammter Österreicher über "Ausländer im Gemeindebau" und in anderen Häusern nehmen in der öffentlichen Wahrnehmung viel Raum ein. Weniger präsent ist der umgekehrte Fall: dass Mieter mit Migrationshintergrund über rassistische Anwürfe durch "Hiesige" klagen.

Doch genau solche Klagen haben laut Wolfgang Zimmer, Leiter der Beratungsstelle bei der Antirassismusgruppe Zara, 2008 "signifikant zugenommen", im Vergleich zu 2007 etwa um ein Viertel. Das vielfach unwidersprochene "Feindbild Ausländer" habe offenbar viele Nachbarschaftskonflikte um Lärmbelästigungen, Hof- und Waschküchennutzung "ethnifiziert" - sagte er bei der Vorstellung des Zara-Rassismus-Reports 2008. Der Report weist 704 Beschwerdefälle aus, 2007 waren es noch mehr, nämlich 832 gewesen: eine Abnahme, die mit weniger Meldungen über rassistische Hauswandschmierereien erklärt wird.

Als Beispiel eines ethnifizierten Mieterkonflikts führte Zimmer den Fall von Frau P. an, die türkischer Herkunft ist und in einem Haus der kommunalen Verwaltung Wiener Wohnen lebt. Ihre österreichische Nachbarin, Frau Ü., hat sie bereits mehrfach ohne Anlass bei der Polizei wegen Lärmerregung angezeigt. Sie beschimpft die Türkin regelmäßig, indem sie am Gang "Ausländer raus!" schreit. Eine von der Gebietsbetreuung initiierte Konfliktmediation - wie sie in der Bundeshauptstadt Mietern von Wiener Wohnen angeboten wird, während es für private Mieter kein solches Angebot gibt - scheiterte: Die Österreicherin kam nicht. "Wir konnten Frau P. nur zu Gedächtnisprotokollen raten und dazu, Frau Ü. gegebenenfalls anzuzeigen", schilderte Zimmer.

Nicht akzeptabel

Eine akzeptable Lösung sei das aber nicht. Um betroffenen Migranten zu helfen, müssten bei den für die Wiener Gemeindebauten zuständigen Gebietsbetreuungen "verpflichtende Schlichtungsverfahren, die nach gescheiterten Mediationen, aber noch vor einem Rausschmiss des Belästigers stattfinden" geschaffen werden.

"Das kann nicht klappen", reagiert Josef Cser, Koordinator der Wiener Gebietsbetreuung, auf diesen Vorschlag. Das Ziel jeder Mediation bei Nachbarschaftskonflikten sei "eine Vereinbarung, an die sich beide halten. Das geht nur freiwillig." Genau das sei bei den "rund 100" interkulturellen Mediationen in Wiener Gemeindebauten 2008 meist gelungen - wobei sich Mediationen wegen Beschwerden von Österreichern über Migranten und Beschwerden von Migranten über Österreicher "zahlenmäßig in etwa die Waage" hielten.

Pool gegen Schmierereien

Ebenfalls mit Vorbehalt reagiert man beim Wiener Stadtrat Michael Ludwig (SP) auf den Zara-Vorschlag, zwecks Entfernung rassistischer Schmierereien einen Finanzpool zu gründen, der auch privaten Hausbesitzern zur Verfügung steht: "Woher soll dieser Pool denn gespeist werden?", hieß es. (Irene Brickne/DER STANDARD 21.3.2009)