Homer beschreibt die Chimäre in der Ilias als feuerspeiendes menschliches Mischwesen mit einem Löwenkopf, einer Ziege im Nacken und mit einem Drachenhaupt als Schwanz. Was in österreichischen Genlabors durch die Verschmelzung von menschlichen Kern- und tierischen Eizellen entstehen wird, bleibt abzuwarten. Faktum ist: Vergangene Woche hat die österreichische Ethikkommission die Forschung mit Hybridembryonen empfohlen - obwohl nach Aussagen des Genforschers Markus Hengstschläger danach in Österreich kein Bedarf besteht - und damit eine ethische Grenze überschritten, weil der Beschluss die Aufhebung des grundsätzlichen Embryonenschutzes einleitet.

Ab wann beginnt das Leben? Erst ab der Geburt oder bereits bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle? Die Grenzen sind nach wie vor umstritten. Der Philosoph Peter Singer meint sogar, dass behindert geborene Babys getötet werden dürfen, da sie weder über Rationalität noch über Autonomie und Selbstbewusstsein verfügen. Menschliches Leben ist immer ein werdendes Leben. Ich kenne kein Argument, das es "zulässig" erscheinen ließe, einen Embryo von dieser Definition auszunehmen. Die Wissenschaft hat das Rätsel Leben noch nicht gelöst und staunt immer wieder über neue Erkenntnisse. Die Freigabe der Forschung an embryonalen Stammzellen steht daher argumentativ auf äußerst schwankendem Boden und ist nicht zu verantworten.

Irreale Hoffnungen

In Großbritannien wird die Forschung mit menschlich-tierischen Hybriden mit der Aussicht gerechtfertigt, Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer heilen zu können. Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich derartige Hoffnungen erfüllen könnten, gleich null: Hier geht es ausschließlich um Grundlagenforschung ohne Relevanz für den Behandlungseinsatz: Viel zu hoch wäre die Gefahr der Tumorbildung. Anders ist es bei adulten Stammzellen. Deren Verwendung ist im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen nicht nur unbedenklich, sondern findet schon jetzt im medizinischen Alltag breite Anwendung. Prof. Bodo-Eckehart Strauer an der Uniklinik Düsseldorf behandelte ca. 500 PatientInnen nach einem Herzinfarkt erfolgreich mit körpereigenen adulten Stammzellen. Der große Vorteil: Es gibt keine Immunabstoßung, da der Patient sich seine eigenen Stammzellen spendet.

Sinnvoll erscheint die Schaffung einer Blutbank an Stammzellen, die durch Nabelschnurblut gewonnen werden, wie sie Prof. Wernett von der Uni Bonn anregt. Die Gewinnung des Nabelschnurblutes ist völlig unproblematisch und ethisch unbedenklich. Mit adulten Stammzellen können heute bis zu 73 Krankheitsbilder, darunter auch Parkinson, Tumore, Diabetes und Herzinfarkte, behandelt werden. Eine allogene Nabelschnur-Blutbank wäre für Österreich ein vorbildhafter Weg. Fazit: Statt über die Freigabe der embryonalen Stammzellenforschung zu diskutieren, sollten die Forschungsgelder in die adulte Stammzellenforschung fließen. Einer aktuellen Studie zufolge erachten über 50 Prozent der österreichischen Bevölkerung den Embryo als schutzwürdiges Wesen ... (Franz-Joseph Huainigg/DER STANDARD, Printausgabe, 23. 3. 2009)