Vom Amokläufer in Winnenden, der ein geübter Schütze war, will man bei Oberösterreichs Sportschützen nichts hören. Doch auch hier gilt Schießtraining für Kinder als gängiger Sport zur "Konzentrationsförderung", wie ein Bericht der "Bezirksrundschau" zeigt.

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 Zur gleichen Zeit, als am Samstagvormittag in Winnenden die Trauerfeiern für die Opfer des Amokläufers beginnen, treffen in Linz, im Vereinshaus des "privilegierten (!) Landeshauptschießstands Auerhahn", die ersten Buben und Mädchen ein. Sie versammeln sich zu ihrem letzten Training für den großen Wettkampf am Sonntag. Die Österreichischen Meisterschaften für Luftpistole und Luftgewehr der Altersklassen bis 13 und bis 15 Jahre stehen an. 108 Jugendliche aus ganz Österreich seien für den Wettkampf gemeldet, sagt der Jugendleiter des Schützenvereins, Marc Heyer.

Auf den Hinweis, dass auch der 17-jährige Täter aus Winnenden Schütze gewesen sei, verdreht Heyer nur die Augen. Auch Günter Hamader, Präsident des Oberösterreichischen Landesschützenverbandes, winkt sofort ab. Natürlich finde er den Amoklauf schrecklich. Doch die Sportschützen und deren Nachwuchs zu verteufeln, das sei ungeheuerlich: "Was in Winnenden passiert ist, hat nichts mit unserer Jugendarbeit zu tun." Wie die Jugendarbeit in Linz aussieht, erklärt Heyer. "Schießsport hat nichts mit Ballern zu tun, wer das möchte, kann gleich wieder gegen." Der Jugendtrainer sieht es vielmehr als "Konzentrationssport", Pistolen und Gewehre als "Sportgeräte". Diese seien in einer Waffenkammer verschlossen, keiner der Jugendlichen habe einen Schlüssel. "Die Munition bewahre ich woanders auf", sagt Heyer. "Wer sich nicht an Regeln hält oder aggressiv ist, fliegt." Bisher habe es noch nie Probleme geben.

Florian nimmt das Gewehr, legt die 4,5 Kilo schwere Waffe auf einem Ständer ab, lugt durch das Visier, drückt ab. Er hat ins Schwarze getroffen, 9,6 von 10 Punkten - obwohl er die Waffe noch gar nicht alleine halten kann.

"Schießen ist lustig"

Nach acht Jahren Leistungsschwimmen ist dem heute 19-jährigen Alex dieser Sport zu "stumpfsinnig" geworden. Schießen dagegen mache "Spaß und ist lustig". Seit fünf Jahren schießt Alex, mittlerweile auf Weltmeisterschaftsniveau. Fünfmal die Woche kommt er zum Training. An mentaler Stärke habe er seitdem deutlich zugelegt, sagt der Maturant. Davon profitiere er auch in der Schule. Ein Waffennarr sei er nicht.

Wenn man die Buben und Mädchen am Schießstand fragt, warum sie sich für diesen Sport entschieden haben, spielen Vorbilder eine große Rolle. So wollte die 14-jährige Tanja "schon immer schießen", wie ihr Vater und ihr Onkel. Martin hat imponiert, als ihn sein Vater, ein Polizist, zu einem Schießwettbewerb mitgenommen hat.

Der Linzer Kinder- und Jugendpsychiater Werner Leixnering ist "vorsichtig mit generalisierenden Rückschlüssen". Es fehlten Belege, wonach geschulter Umgang mit Waffen auch die Bereitschaft erhöhe, diese einzusetzen. Was Leixnering aber stört: "Was tun Kinder in Schützenvereinen?" Der Gesetzgeber verbietet den "Besitz von Waffen, Munition und Knallpatronen für Menschen unter 18 Jahren".

"Sobald ein Kind die Kraft hat, kann es bei uns zum Schießtraining kommen", sagt dagegen Heyer. Beim Linzer Verein gibt es bereits eine "Mini-Gruppe" für Kinder unter 10 Jahren, sie besitzen natürlich keine Waffen. Die gehören alle dem Verein. Sportschießen, wiederholt Heyer, sei nichts anderes als ein "Konzentrationssport, wie Schachspielen".(Kerstin Scheller, DER STANDARD; Printausgabe, 23.3.2009)