St. Anton - "Es gibt keinen Gongschlag, mit dem die Krise zu Ende sein wird", sagte Aiginger am Sonntag vor Journalisten am Arlberg. Das zeigten neue Analysen früherer Finanzkrisen. Der erste Wendepunkt werde wahrscheinlich der Aktienmarkt sein, gefolgt von der Produktion, während die Trendwende am Arbeitsmarkt erst 2011/12 einsetzen werde, betonte Aiginger.

Der Wifo-Boss stützt sich dabei auf eine aktuelle Untersuchung von - meist lokalen und regionalen - Finanzkrisen der Vergangenheit, die das Centre of Europan Policy Research (CEPR) gemacht hat. Darin zeigt sich, dass die Auswirkungen auf die verschiedene Wirtschaftsbereiche unterschiedlich tief sind und unterschiedlich lang dauern. Während Immobilienmärkte bis zu 6 Jahre brauchen, um sich von einem Preisverfall von rund einem Drittel zu erholen, brechen Aktienmärkte zwar noch stärker ein, springen aber bereits nach drei Jahren wieder an. Die Produktion ging in Folge vergangener Krisen im Schnitt um 9 Prozent zurück, erholt sich aber bereits nach zwei Jahren, während die Arbeitslosenrate bis zu vier Jahre für eine Trendwende nach einem Krisenplus von im Schnitt 7 Prozentpunkten braucht.

Unterschiedlich schnell

Das Ende der Krise wird nicht nur bei den verschiedenen Indikatoren unterschiedliche schnell kommen, sondern auch in den Staaten. Im Osten werde es länger dauern als im Westen, prognostiziert der Wirtschaftsforscher, bei den USA seien sich die Experten derzeit uneinig. Einen Vergleich mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 hält er jedenfalls für unzulässig: "Jedes Minus ist bedauerlich, aber Hunger bedeutet es nicht", so der Experte. Angesichts des hohen Ausgangsniveaus in der westlichen Welt gehe es maximal um gewisse Wohlstandseinbußen.

Österreich wird laut Aiginger eher früher und gestärkt aus der Krise hervorgehen. Nach einem "sehr schlechten ersten Halbjahr", mit einem Minus bis zu 10 Prozent in einzelnen Industriesparten, werde es in der zweiten Jahreshälfte zu einer Wende kommen. Dafür spreche, dass die heimischen Konjunkturpakete vergleichsweise früh beschlossen worden seien und die vergangene KV-Runde heuer die Reallöhne steigen lasse. Zudem kommt die Steuerreform nach Ansicht von Aiginger "genau zum richtigen Zeitpunkt, mitten in der Rezession", weil damit den Österreichern ab Mai mehr Geld bleiben werde.

Mögliche weitere Maßnahmen

Er schloss allerdings nicht aus, dass die Regierung heuer noch einmal "nachlegen" werde müssen, insbesondere weil durch das späte Budget viele Ausgaben erst im zweiten Halbjahr greifen. Es sei "leicht, Pakete zu beschließen, aber schwer, sie umzusetzen". Von den im Oktober beschlossenen Konjunkturmaßnahmen sei "noch fast nichts geflossen". Der Wifo-Chef plädiert vor allem für das Vorziehen weiterer Investitionen - etwa im Bereich Bildung, moderne Technologien oder Energiesparen, denn nach der Krise werde das Geld für solche Projekte fehlen. Keinesfalls dürften wegen der Krise die eigentlichen Probleme Österreich - Mängel bei Forschung & Innovation oder zu hohe CO2-Emissionen - nicht aus den Augen verloren werden. "Es gibt ein Nachher und man muss jetzt alles tun, was sich nachher positiv auswirkt", betont Aiginger.

Wenig zufrieden ist der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Karl Aiginger mit der zögerlichen Haltung in vielen großen EU-Staaten bei weiteren Konjunkturmaßnahmen, insbesondere in Deutschland. Die Europäer sind zu konservativ", unterstützte er am Sonntagabend vor Journalisten in St. Anton am Arlberg die Kritik der USA an der EU. "Ich fürchte mich im Augenblick noch nicht, dass wir zu viel Geld ausgeben und zu viel Wachstum haben". Allerdings wünsche er sich eine stärkere Verlagerung von Feuerwehraktionen zu Zukunftsstrategien. Und er hält weitere Zinssenkungen für notwendig: "Es geht auch unter 1 Prozent", sagte er in Richtung Europäische Zentralbank.

Die Wirtschaft der EU werde nach aktuellen Prognosen 2009 um rund 3 Prozent schrumpfen, wobei das Minus in den Euroländern zwischen 2,5 und 4,5 Prozent liegen könnte. In den neuen EU-Ländern erwartet der Wifo-Chef im laufenden und im nächsten Jahr ein Nullwachstum. (APA)