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Die Donaubrücke bei Novi Sad wurde am 4. Mai 1999 zerstört, insgesamt wurden 54 Objekte der Verkehrsinfrastruktur und 148 Gebäude, darunter die chinesische Botschaft in Belgrad, beschädigt.

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Als am 23. März die Verhandlungen zwischen Belgrad und der Führung der Kosovo-Albaner in Rambouillet scheiterten, gaben am Abend des 24. März 1999 der damalige Nato-Generalsekretär Javier Solana und Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien bekannt. Die Kämpfe zwischen der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) und serbischen Sicherheitskräften hatten zu dem Zeitpunkt bereits dazu geführt, dass hunderttausende Kosovo-Albaner vertrieben wurden und nach Mazedonien und Albanien flohen. Noch heute gelten 1.500 als vermisst.

Das Nato-Bombardement sorgte auch in Österreich, das keine Überflugsgenehmigung für die Nato-Flugzeuge gab, für Debatten. Der Linzer Völkerrechtler Franz Leidenmühler bezeichnete die Intervention bereits damals und auch heute als „völkerrechtswidrig". Aus zwei Gründen: Weil sie nicht als Selbstverteidigung gewertet werden konnte, schließlich hatte Jugoslawien ja keinen anderen Staat angegriffen und zweitens, weil es kein Mandat des UN-Sicherheitsrats gab. Anders als bei der Besetzung Kuwaits durch den Irak etwa, wo es für die Intervention im August 1990 die Zustimmung des Sicherheitsrats gab. An der Operation „Allied Force" gegen Jugoslawien nahm genaugenommen auch nicht die Nato als Organisation teil, sondern nur 14 Nato-Staaten.

„Die Nato war sich bewusst, dass es völkerrechtswidrig war", so Leidenmühler zum Standard, „die haben argumentiert, dass es moralisch geboten war, zu intervenieren". Die damalige US-Außenministerin Madeleine Albright wies aber darauf hin, dass die Intervention kein Präzedenzfall sei. Denn, so Leidenmühler, man wusste, dass die Gefahr bestand, dass der Hinweis auf die Moral beliebig verwendet werden konnte und damit jeder künftig außerhalb des Sicherheitsrats eingreifen könnte.

Erstmals kam der Begriff der „humanitären Intervention"auf. Als Argument wurde ein drohender Völkermord genommen, den es - anders als in Bosnien - im Kosovo trotz der Massaker an Zivilisten nicht gegeben hatte. Die jugoslawischen Sicherheitskräfte bekämpften die UCK als Guerilla.Nach dem Ende der Intervention erließ der UN-Sicherheitsrat am 10. Juni 1999 die Resolution 1244, nach der sich die serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zurückziehen mussten und die serbische Provinz unter internationale Verwaltung gestellt wurde. "Damit wurde der Kosovo abgekoppelt von Serbien, das war wie ein Startschuss für die Unabhängigkeitserklärung", so Leidenmühler.

Zwar habe es infolge des ersten und zweiten Weltkriegs schon Mandatsgebiete gegeben, aber das UN-Mandat im Kosovo sei einmalig gewesen. „Vergleichbar wäre, wenn man Kärnten unter internationale Verwaltung stellen und österreichische Sicherheitskräfte nicht mehr hinein dürften", sagt der Völkerrechtler.

In Europa wurde aufgrund des Nato-Bombardements diskutiert, ob für Interventionen immer ein UN-Mandat notwendig sein sollte. Völkerrechtler warnten aber davor, dass das Gewaltverbot der UN-Charta gegen einen Staat ausgehöhlt werden könnte. Als die USA 2003 den Irak angriffen, wurde wieder vom Gewaltverbot abgewichen. Das Vorgehen der Nato gegen Jugoslawien und der Irak-Krieg seien aber nicht zu vergleichen, so Leidenmühler, denn die USA argumentierten in ihrer Sicherheitsstrategie 2002 nicht mit humanitärer Intervention, sondern damit, dass Präventionsschläge und ein Regimewechsel legitim seien, wenn ein Regime in Zukunft eine Gefahr darstellen könnte. Im Falle des Nato-Bombardements habe es hingegen ein "hehres Motiv" vieler Staaten gegeben.

Nach dem Nato-Bombardement auf Serbien versuchten Experten unter kanadischer Führung, Kriterien für eine „humanitäre Intervention" zu entwickeln. Das Papier „Die Verantwortung, zu schützen" war bahnbrechend, weil es erstmals von einer Verpflichtung der Staatengemeinschaft ausging, auf Menschenrechtsvergehen zu reagieren und ein möglicher Verstoß gegen die Souveränität eines Staates nicht mehr im Vordergrund stand, so Leidenmühler. "Das war wie eine Aufforderung an die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, Verantwortung zu übernehmen.".

Die jetzigen UN-Missionen im Tschad und in Darfur seien von diesem Denken beeinflusst, meint der Experte. Er verweist auf Immanuel Kant, der geschrieben hatte, dass "Rechtsverletzungen an einem Platz der Erde, an allen gefühlt wird".

Aus Leidenmühlers Sicht hätte man die Situation im Kosovo 1999 durchaus auch als Bedrohung des Weltfriedens sehen können. Wenn Russland im Sicherheitsrat zugestimmt hätte, wäre die Intervention einwandfrei gewesen. Leidenmühler denkt, dass der Schlag der Nato 1999 auch fast "medial eingefordert" wurde, wenn man sich etwa an die Bilder der Exil-Kosovaren erinnere, die in Brüssel Transparente mit den Worten "Where is Nato?" in die Höhe hielten. (awö/DER STANDARD, Printausgabe, 24.3.2009)