Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Bild aus besseren Tagen: 1989 erhielt die spätere Nobelpreisträgerin Doris Lessing den "Premio Grinzane Cavour". Ganz links Preisstifter Giuliano Soria.

Foto: Archiv

Der für Verlage wichtige "Premio Strega" gilt als vorab ausgemacht.

***

Dass Thomas Bernhards Einzug ins Finale des "Premio Grinzane Cavour" in den Feuilletons kaum Beachtung fand, hatte triftige Gründe. 1983 war der italienische Linguist Giuliano Soria Kritikern und Lesern ebenso wenig ein Begriff wie der von ihm ins Leben gerufene Preis.

Der 1951 geborene Soria galt als Sonderling, der eine vier Quadratkilometer große Gemeinde in den Weinhügeln um Barolo als Hauptquartier gewählt hatte: Grinzane Cavour. Diese öffentliche Einschätzung änderte sich in den folgenden Jahren, als der polyglotte Professor für spanische Literatur ein gewisses Gespür beweisen konnte: Für Wole Soyinka, Nadine Gordimer, Josè Saramago, Günter Grass, Vidiadhar Naipaul, J.M.Coetzee, Orhan Pamuk und Doris Lessing war der "Premio Grinzane" die Vorstufe zum Nobelpreis.

Geschickt nutzte Soria das piemontesische Weingebiet der Langhe zur Schaffung eines kulturellen Netzwerks von Schlössern, Museen, Kulturpfaden, Ausstellungsräumen, Bibliotheken und Tagungsorten. Dann weitete er sein Imperium aus: In Havanna, Montevideo, Moskau und Paris vergab seine Stiftung Preise und Stipendien, lud unzählige Autoren nach Turin ein und präsentierte italienische Schriftsteller in Tokio.

Der Expansion zum Kultur-Multi schienen keine Grenzen gesetzt. Am 24. Jänner ließ sich Soria bei seinem letzten Auftritt im Königsschloss von Turin mit seinen jüngsten Preisträgern Imre Kertèsz und Ingrid Betancour feiern.

Was dann folgte, war weit weniger glamourös. Der 58-Jährige wurde wegen Misswirtschaft und Veruntreuung verhaftet. Ein Hausangestellter beschuldigte ihn zudem der sexuellen Nötigung. Was bisher aus vierzig Kartons beschlagnahmter Unterlagen ans Licht kam, liegt weit jenseits der Peinlichkeitsgrenze: 18 Immobilien und acht Grundstücke hat Soria erworben, der seine Stiftung nach Überzeugung der Richter "wie ein absoluter Monarch" führte.

Öffentliches Geld

Auf eine halbe Million Euro belaufen sich die Rechnungen für Luxushotels und Nobelrestaurants, die Soria frequentierte. Über zwanzig Millionen Euro hatte Soria allein in den letzten fünf Jahren von öffentlichen und privaten Geldgebern kassiert und in ein wirres Netz von Gesellschaften fließen lassen, für die allein der mächtige Professore zeichnungsberechtigt war.

Italiens Kulturszene reagierte geschockt auf die Nachrichten: der weltgewandte Patron des wichtigsten Literaturpreises als schäbiger Abzocker und ausgefuchster Betrüger? Ein flugs gegründetes Garantenkomitee um die Autorin Dacia Maraini, das zumindest ein Überleben der Stiftung sichern wollte, trat bald wieder bestürzt zurück.

Wie ein Kartenhaus fiel die Grinzane-Stiftung in sich zusammen. Schluss, finito. Auch der oberösterreichische Autor Christoph Ransmayr, Anwärter auf den diesjährigen "Premio Grinzane" , kann den Termin aus seinem Kalender streichen.

Dass just zur selben Zeit auch Italiens zweiter wichtiger Literaturpreis in schräges Licht rückte, mag purer Zufall sein. Um den traditionsreichen "Premio Strega" buhlen vor allem die Verlage, weil er auf dem ohnehin matten italienischen Buchmarkt verkaufsbelebend wirkt.

Indiskretionen der Blogger

So schaffte es der Vorjahressieger Paolo Giordano mit seinem Roman "Die Einsamkeit der Primzahlen" zu einer Rekordauflage von einer Million Exemplaren. Doch der zweite Sieg des Berlusconi-eigenen Mondadori-Verlags in Folge sorgte für Gemunkel in der Branche und ihren Kennern. Glaubt man den eifrig ausgestreuten Indiskretionen der Blogger oder den sich dieses Themas annehmenden Feuilletons, dann steht der diesjährige Gewinner schon vier Monate vor der Preisverleihung fest. Sein Name lautet Daniele Del Giudice.

Dabei muss sich der Autor für seinen soeben erst publizierten Roman "Der bewegliche Horizont" herbe Kritik gefallen lassen. Kleines, aber keinesfalls nebensächliches Detail am Rande: Auch der Einaudi-Verlag, in dem der neue Roman Del Giudices erschienen ist, gehört zu Silvio Berlusconis Verlagsimperium.

Der Corriere della Sera kommt deshalb zu dem Schluss: "Der ,Premio Strega‘ geht nicht an den Besten, sondern an den Stärksten." (Gerhard Mumelter aus Rom, DER STANDARD/Printausgabe, 24.03.2009)