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Univ.-Prof. Dr. Johann Bauer ist Forschungs-Leiter des "eb-Haus-Austria" in Salzburg und Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie der SALK/Paracelsus Medizinische Privatuniversität.

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Ihre Haut ist verletzbar wie der Flügel eines Schmetterlings, oft reicht ein fester Händedruck, um Blasen zu bekommen. Die so genannten "Schmetterlingskinder" gelten derzeit noch als unheilbar. Das Epidermolysis-bullosa-Haus-Austria (eb-Haus), der Salzburger Universitätsklinik für Dermatologie zugehörig, ist erste Anlaufstelle für Menschen, die an der Krankheit leiden. Im derStandard.at-Interview erklärt Johann Bauer, Forschungsleiter des eb-Hauses, das Krankheitsbild, die Auswirkungen auf den Alltag der Betroffenen und wie eine Heilung mittels Gentherapie näher rückt.

derStandard.at: Wodurch wird die Hautkrankheit Epidermolysis bullosa verursacht?

Bauer: Epidermolysis bullosa ist eine blasenbildende Hauterkrankung. Diese Blasen werden durch ein Fehlen von Strukturproteinen in der menschlichen Haut ausgelöst. Dadurch wird die Haftung zwischen Oberhaut und Lederhaut vermindert und es können schon bei leichter Berührung Blasen entstehen. Das Fehlen der Strukturproteine ist erblich bedingt, nur ganz selten ist das nicht der Fall. Dann ist die Ursache autoimmun und es bilden sich Antikörper gegen die Strukturproteine.

derStandard.at: Wie viele Menschen sind in Österreich davon betroffen?

Bauer: Das eb-Haus-Austria hat ein Register aufgebaut, das ungefähr 200 Patienten beinhaltet, großteils Kinder. Laut Schätzungen liegt die Zahl der Betroffenen aufgrund der relativ großen Dunkelziffer aber doppelt so hoch. Patienten mit einer sehr leichten Variante der Krankheit melden sich oft nicht bei uns.

derStandard.at: Welche Symptome zeigen Menschen, die an der Krankheit leiden?

Bauer: Vor allem Blasenbildung. Diese ist aber nicht nur auf die äußere Haut beschränkt, sondern betrifft bei speziellen Formen der Epidermolysis bullosa auch die Schleimhäute wie die Mund-, Lungen-, Darm- und Urogenitalschleimhaut. Zum Beispiel kann die Speiseröhre verengt sein, es kann zu verstärkten Infektionen der Lunge und zu Problemen im Bereich des Urogenitaltraktes wie der Harnleiter kommen.

derStandard.at: Welche Folgeerscheinungen können entstehen?

Bauer: Das hängt von der Form ab. Die Krankheit lässt sich in drei Subtypen unterteilen: simplex, junktionalis und dystrophica. Bei der simplex-Form, einer leichteren Form der Krankheit, steht das Hautproblem im Vordergrund und es gibt keine wesentlichen Beeinträchtigungen bei den inneren Organen. Bei der junktionalen Form kommt es häufig zu Karies, da die gleichen Strukturproteine, die die Haut zusammenhalten dies auch bei den Zähnen tun. Probleme mit der Mundschleimhaut und des Harnleiters kommen bei dieser Form ebenfalls vor. Der folgenschwerste Typus in Bezug auf die möglichen sekundären Erscheinungen, ist die dystrophe Form. Es kann zu Verwachsungen der Speiseröhre, im Bereich des Darmes und der Finger kommen. Letzt genannte entstehen dadurch, dass zwischen den Fingern Blasen entstehen und durch Narbenbildung zusammenwachsen. Kinder können dann nur mehr mit einem Daumen und einer Faust schreiben.

derStandard.at: Wie sieht die Lebenserwartung von Patienten mit Epidermolysis bullosa aus?

Bauer: Bei Patienten mit der schwersten Form beträgt die Lebenserwartung rund 40 bis 50 Jahre. Ab dem 30. Lebensjahr tritt oft ein sehr aggressiver Hautkrebs auf, gegen den wir noch keine gute Behandlungsmöglichkeit gefunden haben. Deshalb ist die Lebenserwartung deutlich eingeschränkt. Bei den beiden leichtern Formen ist dies nicht der Fall.

derStandard.at: Wie beeinflusst die Hautkrankheit das tägliche Leben von Betroffenen? Auf was müssen sie besonders achten?

Bauer: Das ist von der Form abhängig. Betrachtet man den dystrophen Typ, beginnt der Tag für die Kinder mit einem Verbandswechsel, der den Tag auch wieder beendet. Was die Ernährung betrifft, können kranke Kinder häufig nicht essen, da die Mundschleimhaut sehr stark beeinträchtigt ist und die Zähne starkes Karies aufweisen. Nahrungsaufnahme ist nur flüssig oder in Breiform möglich. Bei den schwersten Fällen, bei Kindern die auch ein Mangelwachstum zeigen, müssen Magensonden eingesetzt werden, die eine Aufnahme einer speziellen Proteinnahrung ermöglichen.

Schmetterlingskinder sind geistig nicht beeinträchtigt und gehen in die Schule, mit unterstützender Betreuung oder in Integrationsklassen. Ein Problem kann das Herumtollen der Kinder darstellen, wenn sie beispielsweise stürzen oder von einem Fußball getroffen werden. Eltern sind gut beraten, wenn sie ihren Nachwuchs mit Verbänden einpacken, gerade die sehr verletzlichen Stellen wie Ellbogen, Finger und Knie. Dadurch verhindern sie die sofortige Blasenbildung.

derStandard.at: In Salzburg eröffnete 2005 das eb-Haus. Was wird dort gemacht?

Bauer: Das eb-Haus wird in Ambulanz, Labor und Akademie gegliedert. Dieses Drei-Säulen-Modell zur Patientenversorgung, zusammengefasst in einem Haus, ist weltweit einzigartig. In der Amulanz findet die medizinische Versorgung statt. Patienten kommen aus ganz Österreich und den umliegenden Ländern zu uns. Ärzte und Therapeuten bemühen sich in Kooperation mit anderen Abteilungen des Universitätsklinikums Salzburg um bestmögliche medizinische Behandlung. In der Akademie als zweiter Säule findet die Aus- und Fortbildung von Ärzten statt. Wir laden immer wieder Spezialisten aus der ganzen Welt ein, die zur Wissensgenerierung bei uns beitragen sollen. Im Labor wird an Therapiemöglichkeiten und neuen Therapieformen zur Heilung von Epidermolysis bullosa geforscht.

derStandard.at: Wie kann man sich eine Behandlung von Edpidermolysis bullosa vorstellen?

Bauer: Derzeit können die Symptome nur gelindert, nicht aber ursächlich geheilt werden. Wundmanagement, Schmerztherapie, Ernährungsberatung und Vorsorgeuntersuchungen werden in unserer Ambulanz angeboten. Die Vorsorge ist in diesen Zusammenhang besonders wichtig, da bei den schwersten Formen der Krankheit früh Hautkrebs auftreten kann. Alle sechs Monate wird deshalb die Haut der Patienten komplett untersucht.


derStandard.at: Was ist der aktuelle Stand der Forschung zur Heilung bzw. Linderung der Krankheit?

Bauer: Aktuell kristallisieren sich Zell- und Gentherapie als Therapieformen heraus. Bei der Zelltherapie wird versucht, Zellen so zu beeinflussen, dass die fehlenden Strukturproteine wieder vorhanden sind. Dies soll durch eine Knochenmarktransplantation, die auch bei anderen Erkrankungen durchgeführt wird, erreicht werden. Dafür wird zunächst eine Chemotherapie durchgeführt, die das Knochenmark des Patienten partiell zerstört, um das Knochenmark eines gesunden Menschen transplantieren zu können. Diese Therapieform ist relativ neu und muss sich erst entwickeln. Bisher sind in den USA drei Patienten auf diesem Weg behandelt worden. Konkrete Ergebnisse über den Therapieerfolg stehen noch aus.

Eine zweite Gruppe von Zelltherapie ist die Einspritzung von Zellen in die Haut, die diese Strukturproteine normal bilden und eine Festigkeit der Haut für drei Monate bewirken. Auch diese Therapie wurde bereits an einigen Patienten in England durchgeführt. Ein Nachteil ist aber die Schmerzhaftigkeit aufgrund der Einspritzung.

derStandard.at: Welche Fortschritte sind mittels Gentherapie zu verzeichnen? Von ersten Einzelerfolgen mit der so genannten „Genschere" wurde berichtet.

Bauer: Das ist richtig. Neben der Zelltherapie ist die Ex-vivo-Gentherapie („Genschere", Anm.) ein weiterer Ansatzpunkt. Wir entnehmen den Patienten Zellen, die im Labor korrigiert werden. Das fehlende Protein wird in die Zellen eingebaut. Im Labor wird eine Hautschicht produziert, die als Transplantat auf die Haut aufgebracht wird. Diese Therapie ist dauerhaft und wurde bisher an einem Patienten in Italien durchgeführt. Dessen transplantiertes Hautstück bildet nun keine Blasen mehr, da es das Eiweiß produziert, das vorher fehlte. Was in Italien begann, soll in Salzburg weitergeführt und etabliert werden. Wenn die Finanzierung gesichert ist, könnten wir nächstes Jahr anfangen und Patienten behandeln. (Ursula Schersch, derStandard.at, 26.03.2009)