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Weil immer mehr Israelinnen unter Berufung auf Glaubensgründe dem Dienst zu entgehen versuchen, setzt das Militär Privatdetektive ein

Foto: AP Photo/Balilty

Jerusalem - Junge Israelinnen, die den Wehrdienst vermeiden wollen, sollten sich besser nicht beim Knutschen erwischen lassen. Weil immer mehr 18-Jährige unter Berufung auf Glaubensgründe dem Dienst zu entgehen versuchen, setzt das Militär Privatdetektive ein. Zweck der Beschattung ist es, vorgeblich religiöse Drückebergerinnen bei höchst weltlichem Tun zu ertappen. "Wir brauchen diese Mädchen", sagte der stellvertretende Leiter der zentralen Rekrutierungsstelle, Oberstleutnant Gil Ben Shaul, der Nachrichtenagentur AP.

Die Überprüfung begann im vergangenen Jahr. Seither wurden 520 junge Frauen erwischt. Viele gaben zu, gar keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung zu haben, und traten brav zum Wehrdienst an. Religiöse Gründe sind seit langem eine einfache Möglichkeit, der Einberufung zu entgehen. Doch inzwischen machen gleich zwei Trends den Streitkräften Kopfzerbrechen: generelle Verweigerung bei beiden Geschlechtern und ein deutlicher Anstieg bei den jungen Frauen, von denen derzeit fast 40 Prozent die religiöse Karte ausspielen.

"Es braucht nur ein Wochenende"

Bekannt wurde die Beschattungsaktion in diesem Monat, als in den Medien unscharfe Bilder einer jungen Frau im engen Oberteil zu sehen waren, die einen jungen Mann küsst: Das würde eine unverheiratete strenggläubige Jüdin in der Öffentlichkeit nie tun. Dann bestieg das Pärchen auch noch einen Fahrstuhl, und das am Samstag: Am Sabbat ist Orthodoxen die Benutzung von Maschinen und Elektrizität untersagt. Den Detektiven zufolge hatte sich diese junge Frau auf eine Ausnahme aus Glaubensgründen berufen und trat dann doch zum Wehrdienst an, als man sie mit ihren Missetaten konfrontierte.

Drückeberger zu erwischen, ist ziemlich einfach: "Es braucht nur ein Wochenende", berichtete Ben Shaul. Die jungen Frauen werden üblicherweise an Samstagen beim Autofahren, beim Trinken oder beim Rauchen ertappt. "Wir finden sie in Bars", sagte er. "Wie wissen, dass manche von ihnen Models und Sängerinnen sind und diesen Weg wählen, um dem Militär zu entgehen."

Nachdem eindeutig zu viele angeblich strenggläubige junge Frauen bei Fragen nach Gebeten oder religiösen Feiertagen ins Schleudern gekommen waren, heuerten die Streitkräfte noch zusätzlich sieben private Ermittlungsfirmen an. Die Öffentlichkeit empört das nicht weiter, gelten die Streitkräfte doch als einigende Kraft. Von allen Männern werden drei, von Frauen zwei Jahre Wehrdienst erwartet. Dass Orthodoxe aus Glaubensgründen davon ausgenommen sind, stößt weitgehend auf Unverständnis.

Rückläufige Rekrutenzahlen

Dennoch versuchen immer mehr, um den Militärdienst herumzukommen, je stärker die Mittelschicht wird und der Wehrdienst als Karrierehindernis empfunden wird. 1991 hatten sich 21 Prozent der Frauen aus religiösen Gründen befreien lassen, voriges Jahr schon 36 Prozent - obwohl nur 20 Prozent der Israelis sich als religiös bezeichnen. Bei den Männern ist der Anteil von einem Fünftel 1995 auf fast ein Drittel 2007 gestiegen - hauptsächlich weil die Orthodoxen die am stärksten wachsende jüdische Bevölkerungsgruppe in Israel sind.

In Anbetracht der rückläufigen Rekrutenzahlen wurden frühere Überlegungen, die Wehrpflicht der Männer um vier Monate zu verkürzen, wieder auf Eis gelegt. Man müsse sich schon Gedanken machen, sagte Ben Shaul. "Ich glaube nicht, dass wir eine Krise haben. Aber wir können diese Zahlen nicht ignorieren."

Das Militär bemüht sich, für Frauen attraktiver zu werden. So fliegen sie inzwischen Hubschrauber oder sind Militärpolizistinnen. Doch immer noch verrichten die meisten von ihnen Schreibtischtätigkeiten, die sie für sinnlos halten. "Ich habe zwei Jahre lang gedient und nichts getan. Alle Mädchen tun nichts", sagte die Studentin Shiran Cohen. Sie habe Munitionsvorräte überprüfen sollen, sei aber von den Männern in ihrer Einheit oft kaltgestellt worden. "Jetzt ist meine Schwester in der Armee, und sie tut auch nichts." (Diaa Hadid/AP)