So funktioniert Österreichs Schulsystem (vereinfachte Darstellung): Die Akteure verirren sich im Labyrinth der Kompetenzen, arbeiten aneinander vorbei. Es leidet die Qualität.

Montage: Der Standard

Rechnungshofpräsident Josef Moser fordert eine "umfassende Schulreform" , die auf eine mittlere Revolution hinausliefe.

Wien - Sie wären nicht die ersten, die an der Aufgabe scheitern. Seit Februar zerbricht sich eine hochrangige Taskforce aus Wirtschaftsforschern, Verwaltungsexperten und dem Rechnungshofpräsidenten die Köpfe, wie sich der Staat reformieren ließe. Ihr Ziel: Österreich soll effizienter und damit billiger werden.

Die Regierung hat die Latte hoch gelegt. Damit das Budget wegen der Krise nicht ins bodenlose Minus rutscht, soll der Staat gleichzeitig sparen, und zwar jedes Jahr ein bisschen mehr: Heuer etwa 300 Millionen Euro, im Jahr 2013 bereits drei Milliarden. Insgesamt beläuft sich der Sparplan auf acht Milliarden - wozu wohl eine mittlere Revolution notwendig wäre.

Schwach im Vergleich

Am Dienstag legten die Experten den Koalitionären ihre erste Analysen vor - und packten dabei gleich ein heißes Eisen an. Abgesehen von einem kritischen Papier zur allgemeinen Verwaltung zerpflückten die Fachleute vor allem detailreich die Organisation der Schulen. Das Ergebnis ist alarmierend. "Die Ausgaben sind sehr hoch, die Erfolge bescheiden" , fasst Rechnungshofpräsident Josef Moser die Kernbotschaft im Standard-Gespräch zusammen: "Die Regierung muss eine umfassende Schulreform vornehmen."

Ihr Urteil stützen die Reformer auf internationale Vergleiche. Laut OECD betreuen überdurchschnittlich viele Lehrer die heimischen Kinder, die Klassen sind nicht größer als anderswo. Dennoch landen Österreichs Schüler bei länderübergreifenden Studien nur im Mittelfeld. Wer sich mit den Kuriositäten des Systems, das aus dem Jahr 1962 stammt, vertraut macht, den wundert das nicht.

Die "Zersplitterung der Kompetenzen" identifiziert Moser als eines der Grundübel. Verschiedene Institutionen funken sich ständig gegenseitig dazwischen. Ein Teil der Lehrer untersteht dem Unterrichtsministerium, der andere den Ländern. Und dann reden auch noch die Gemeinden mit.
In der Praxis führt das zu endlosen Instanzenläufen und eklatanter Entscheidungsschwäche. Beispiele: Entdeckt ein Bezirksschulinspektor Mängel in einer Schule, kann er diese nicht selbst beheben, sondern muss beim Amt der Landesregierung umständlich darum ersuchen. Ebenso behindert werden Direktoren, die sich um mehr Qualität in ihren Klassenzimmern bemühen. Auf dem Papier sollen die Schulleiter wie Manager agieren; ihre Lehrer selbst aussuchen oder im Ernstfall rausschmeißen dürfen sie aber nicht.

Im Labyrinth der Kompetenzen gehe oft die Gesamtsicht aufs Schuluniversum verloren, analysiert Moser. Bund, Länder und Gemeinden würden unterschiedliche Interessen vertreten, Kooperation sei schwierig. So sei es - wie der Bericht kritisiert - kaum möglich, Lehrer gezielt nach Bedarf und Kompetenzen zu verteilen: Ein Volksschullehrer darf prinzipiell nicht an einer Hauptschule oder AHS unterrichten, ein Hauptschullehrer nicht an einer AHS - da sind die unterschiedlichen Dienst- und Besoldungsrechte vor.

Mangels Aufstiegschancen und erfolgsorientierter Bezahlung fehlten Leistungsanreize, bekritteln die Experten - von der mangelnden Kontrolle ganz zu schweigen: Wie ein roter Faden ziehen sich einschlägige Defizite durch den Bericht. Von Landesschulräten, die ihre "Steuerungsverantwortung" nicht wahrnehmen, ist da die Rede. Von undurchsichtigen oder inexistenten Qualitätssnachweisen. Und von Lehrern, die ohne Zusatzqualifikation zu Direktoren werden. Moser: "Da bekleiden Personen ohne ausreichendes Management-Know-how Leitungspositionen."

Rückenwind durch die Krise

In den Schulen zeigt sich auch ein Hauptproblem des Föderalismus: Die Länder stellen zwar einen Teil der Lehrer ein, doch die Rechnung zahlt der Bund. Solch eine Aufgabenverteilung ist für Landesfürsten bequem, verleite sie aber nicht dazu, mit Geld effizient umzugehen, meinen die Kritiker.

Die Vertreter der Länder, erzählt ein Beteiligter, hätten bei der dienstäglichen Präsentation gleich vorsorglich darauf hingewiesen, dass sich eine große Reform nicht übers Knie brechen lasse. Kleinere Arbeitsgruppen sollen nun die vorliegende Analyse am Ende in konkrete Vorschläge fassen. Und diesmal soll es sich nicht bloß um eine bessere Beschäftigungstherapie handeln, verspricht Finanzminister Josef Pröll. Er gibt sich wild entschlossen, das Schulsystem noch heuer zu reformieren: "Wann, wenn nicht in Zeiten einer Krise?" (Gerald John/DER STANDARD Printausgabe, 25. März 2009)