"Wurde bei Ihnen im Labor auch wirklich Safer Sex praktiziert?" Diese Frage musste sich Susan Lolle schon einige Male gefallen lassen. Die Pflanzengenetikerin von der University of Waterloo in Kanada publizierte im Jahr 2005 geradezu Unglaubliches im Fachblatt Nature: Demnach widersetzt sich Hothead, eine bestimmte Mutante der beliebten Laborpflanze Arabidopsis thaliana, den Vererbungsgesetzen. Im Genom mancher Hothead-Pflanzen, so Lolle, tauchen Erbinformationen auf, die zwar bei ihren Eltern nicht nachzuweisen sind, dafür aber bei den älteren Vorfahren.

Der Befund stellt die von Gregor Mendel festgeschriebenen Vererbungsgesetze auf den Kopf, wonach genetische Merkmale nur von der Eltern- an die Kindergeneration übertragen werden. Nach wie vor bezweifeln viele Forscher Lolles Ergebnisse und führen das als Restoration bezeichnete Phänomen auf Unsafe Sex zurück, also die Bestäubung durch fremde Pflanzen. Susan Lolle hält jedoch an ihrer Hypothese fest, arbeitet weiter an der molekularen Beweisführung und spekuliert, dass sie einer Art Gen-Archiv auf der Spur sein könnte, das Pflanzen bei der Anpassung an Stresssituationen dienlich ist.

Lolle war eine von rund 130 internationalen Teilnehmern beim dreitägigen Workshop "Adaptation Potential in Plants", der vergangene Woche in Wien abgehalten wurde. Warum die Veranstalter aus dem Wiener Gregor-Mendel-Institut (GMI) der Österreichische Akademie der Wissenschaften gerade das Thema pflanzliche Anpassungsfähigkeit in den Fokus gerückt haben? "Durch den Klimawandel verändert sich die Umwelt schneller denn je", meint Karel Riha, einer der Konferenzorganisatoren und stellvertretender Direktor des GMI.

Kontrollmechanismen

"Wir möchten jene Mechanismen im Genom aufdecken, die den Pflanzen eine physiologische Anpassung ermöglichen", so Riha. "Forscher in unserem Gebiet untersuchen, auf welche Weise genetische Variation im Erbgut entsteht und letztlich dazu beträgt, dass Pflanzen im Laufe der Evolution immer besser mit Kälte, Hitze, Licht- oder Wassermangel umgehen können." Nachhaltige Veränderungen im Erbgut, so der Experte für Epigenetik, würden offenbar viel rascher geschehen als bisher angenommen. Doch die Kontrollmechanismen - etwa Schaltergene - für die Kommunikation zwischen DNA und Umwelt beginne man erst langsam zu verstehen. Die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung seien auch für künftige Züchtungsprogramme nützlich.

Um Wissenschaftern aus Schwellenländern (zum Beispiel Tunesien, Weißrussland, Aserbaidschan) die Workshop-Teilnahme zu ermöglichen, wurden zehn Reisestipendien vergeben, gesponsert durch die FEBS (Federation of the Societies of Biochemistry and Molecular Biology). Drei Wissenschafter wurden für ihre Posterpräsentationen ausgezeichnet. (harl/STANDARD,Printausgabe, 25.3.2009)