Anna Artaker, Untitled (Some Of The Names Of Photoshop) (2009) Textintervention.

Foto: Nadine Wille, k/Haus

Marlene Haring, Photoboothautograph (2009), Multimediale Installation.

Foto: Nadine Wille, k/Haus

Initialisierung ... Zusatzmodule werden gesucht ... Voreinstellungen werden übernommen ... Sagen wir... maximal zehn Sekunden dauert der Ladevorgang von Photoshop, selbst bei sehr geringer Rechnerleistung.

Nicht länger als zehn Sekunden ist auch jener Zeitraum, in dem alle Personennamen am Bildschirm aufscheinen, die an der Entwicklung des gängigen Bildbearbeitungsprogramms beteiligt waren. Bei der Version 9.0 von Photoshop CS2 - mittlwerweile auch schon eine überholte Version - sind es genau 41 Namen. Die Liste beginnt bei Thomas Knoll, dem Erfinder des digitalen Werkzeugs, und steigt dann hierarchisch ab bis zu Kevin Connor, dem "Director of Product Management" beim Unternehmen Adobe Systems - natürlich mit prestigeträchtigem Sitz in Silicon Valley.

Ladevorgänge

In der k/haus-Passage unter dem Wiener Karlsplatz sind im Moment alle 41 Namen nachzulesen. Wie beim Ladevorgang des proprietären Computerprogramms werden sie in einer hierarchischer Anordnung gezeigt. Die Konzeptkünstlerin Anna Artaker hat sie in der Photoshop eigenen Systemschrift "Myriad" auf ein rund drei Meter langes Papierbanner drucken lassen, schwarz auf weiß, ganz einfach gehalten, programmatisch. Der Einfachheit ihrer Textarbeit Untitled (Some Of The Names Of Photoshop) liegt aber ein ganzer Schwall an Fragen zugrunde, die beim Lesen der Namen nach und nach auftauchen: Wer ist eigentlich Andrew Coven, wer Sarah Kong und wer Jackie Lincoln-Owyang? Wie arbeiten diese Menschen, die verantwortlich zeichen für die Art wie heute mit Bildern, ihrer Manipulation und den internationalen Standards von Datenformaten umgegangen wird?

Personalsierungen

Nicht nur, dass Anna Artaker mit ihrer Textintervention die PassantInnen in der Passage auf ihre Aufnahmekapazitäten hin testet und manchen vielleicht ein Aha-Erlebnis beschert. Mit dem Display der Namen, die sie ihrem ursprünglichen, sehr flüchtigen Kontext enthebt, lässt sie auch gleichzeitig einen Blick auf sozioökonomische Informationen über das weltweit führende Unternehmen Adobe Systems Incorporated zu: Unter den durch ihren Namen personalisierten aber dennoch in der Anonymität eines nur kurzen Ladevorgangs beliebig bleibenden Menschen, befindet sich ein Drittel Frauen - tendenziell in den unteren Rängen der Karriereleiter von Adobe, im Mittelbau also. Weiters lassen sich neben neben US-amerikanischen auch indische, asiatische und europäische Namen erkennen, ein Indiz für die "Vorstellungen vom erfüllten amerikanischen Traum", wie die Künstlerin in einem Text über die Arbeit schreibt.

Kreativität

Auf formaler Ebene Anna Artakers sehr reduziertem Papierbanner zwar diametral entgegengesetz, den eigenen Werkzeugen gegenüber aber nicht minder kritisch ist Marlene Harings großzügige Multimedia-Installation Photoboothautograph. Apple-BenutzerInnen ist das mit dem System mitgelieferte Programm Photobooth und die damit verbundene Möglichkeit standardisierte Kreativität an den - wie es scheint oft recht langweiligen - Tag zu legen bekannt. Das Autoportrait, aufgenommen mit der ebenfalls systemimmanenten Kamera, kann mittels Buntstift-, Rönten- oder Pop-Art-Filter bearbeitet werden, genauso wie man sein Gesicht spiegeln, quetschen, strecken und wölben kann. All das macht Marlene Haring, gleichzeitig.

Tagebuch

Die Künstlerin hat in der Passage des Künstlerhauses über dreißig Monitore in unterschiedlichen Größen und Formaten installiert, die sie selbst in kurzen Stopmotion-Loops zeigen: zuhause, vor dem Bücherregal, liegend, stehend, sitzend. Es sind jeweils zwei Bilder, die sich im Sekundenabstand abwechseln und dadurch kurze filmische Selbstportraits erzeugen. Beim Betrachten dieses massiven Geflackers entsteht der Eindruck als hätte Marlene Haring Tagebuch geführt und ihre Befindlichkeiten in je zwei sich abwechselnden Bildern dargestellt. Mit der Verschränkung der einzelnen Sequenzen und der Fülle an Material, die dort präsentiert wird, spielt die Künstlerin auf die strukturelle Gewalt an, die heute das Verhältnis zwischen Individuum und digitalen Medien mitbestimmt.

Schaubude

Eigenen, nicht verifizierten, Angaben zufolge, nimmt Haring mit ihrer Selbst-Schaubude (engl. booth) im Keller des Künstlerhauses ein bereits lange bekanntes Konzept wieder auf: Der 1865 von Felicitas Zopp erstmals patentierte Photboothautograph, der damals auch als Attraktion im Wiener Prater geführt wurde, dient ihr dazu, gängige mediale Praxen zu durchleuchten und im wahrsten Sinne des Wortes zur Schau zu stellen. Sie fragmentiert dazu ihr Ich in einer intensiv körperbezogenen Performance vor der Kameralinse und spielt dabei genauso auf im Internet zu Hauf kursierende animierte GIFs an, wie sie den rein selbstdarstellerischen Zweck von Videotagebüchern persifliert - mit teils beklemmender Wirkung.

Werkzeugspitzen

Auf den ersten Blick haben Anna Artakers und Marlene Harings Arbeiten keinen gemeinsamen Nenner. Genausowenig haben Thomas Knoll und Felicitas Zopp miteinander zu tun. Und dennoch arbeiten beide, oder besser gesagt alle vier - gibt es sie nun oder auch nicht - mit Bildern und den dazugehörigen Gegenständen und Realitäten, auf die sie verweisen. Eine Seite in diesem Spiel forciert ein System, das von der anderen am Leben erhalten wird, die andere Seite ist sich dessen bewusst und überstrapaziert das System so lange bis es - zumindest - ein wenig gestört wird. Eine Momentaufnahme zeitgenössicher Bildpolitik, die sich in der von Ursula Maria Probst kuratierten Reihe "in passing" manifestiert: Klick, Initialisierung..., Werkzeugspitzen werden geladen...: Photobooth, lächeln. (fair)

Bis 12. April