In den nächsten Monaten werde es zu vielen Insolvenzen in der Transportbranche kommen, meint Logistikexperte Sebastian Kummer. Warum gerade das Anlass zu Hoffnung gibt, erklärte er Markus Böhm.
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STANDARD: Die Transportwirtschaft gilt als Gradmesser der Konjunktur. War die Krise vorhersehbar?
Kummer: Es gab Warnsignale, aber mit einer derartigen Krise hat wohl niemand gerechnet. Noch bevor sich die Krise abzeichnete, sind bereits die Preise gefallen, sowohl im Straßengütertransport - was auf den europäischen und österreichischen Binnenverkehr schließen lässt - als auch im Seeverkehr: Die Containerraten sind schon seit über zwei Jahren gefallen. Am Straßengüter- und Containerverkehr sieht man auch, dass beide Bereiche schon früher überhitzt waren.
STANDARD: Was heißt das konkret?
Kummer: Kapazitätsüberhänge führten zu einem Preisverfall lange vor der Krise. Mit dem krisenbedingten Nachfragerückgang kam es zu einem Absturz der Preise. Wenn die Transportwirtschaft ein Indikator für Krisenbewältigung sein soll, dann ist ein Ende der Krise nicht absehbar.
STANDARD: Wieso?
Kummer: Die Transportmengen sind im ersten Quartal 2009 gegenüber dem Vergleichsquartal 2008 sehr stark zurückgegangen. Es wird jetzt versucht, Lagerbestände abzubauen. Deswegen gibt es kaum Transporte zu den Lagern. Das ist auch ein Grund, warum die Containerverkehre im internationalen Bereich abgestürzt sind. Ein ehemaliger Assistent von mir, der jetzt am Hafen Hamburg arbeitet, hat mir neulich eine E-Mail geschrieben: "Es war wieder ein Schiff zu sehen." Offenbar ist das mittlerweile eine kleine Sensation.
STANDARD: Hieß es vor einiger Zeit nicht, dass gerade der Hamburger Hafen knapp an der Belastbarkeitsgrenze sei?
Kummer: Das ist nun vorbei. Der Containerverkehr scheint sich auf einem sehr niedrigen Niveau zu stabilisieren. Gerade im Reedereibereich wurden Kapazitäten herausgenommen. Auch die Deutsche Bahn berichtet, dass sie zehntausende Waggons stillgelegt hat.
STANDARD: Wie sieht es im Straßengüterverkehr aus?
Kummer: Dort wird es zu erheblichen Insolvenzen kommen. Momentan sind Banken und Leasing-Unternehmen darum bemüht, bestimmte Unternehmen künstlich am Leben zu erhalten. Aber das funktioniert nur kurz. Sollte es wieder mehr Geschäft geben, wären diese Unternehmen dann nicht ausreichend liquid.
STANDARD: Welche Unternehmen haben am ehesten eine Chance?
Kummer: Zum einen mittelständische, solide mit Eigenkapital finanzierte Firmen, die Reinvestitionen bei ihren Fahrzeugen hinausschieben und deswegen keinen großen Kapitalbedarf haben. Zum anderen Unternehmen, die ihre Kapazitäten flexibel anpassen können. Auch Betriebe, die nicht zu dem niedrigen Preis fahren müssen, der momentan den Ton angibt.
STANDARD: Wie soll ein Frächter auf die fallenden Preise reagieren?
Kummer: Nicht darauf eingehen, selbst wenn der Kunde droht, zur Billig-Konkurrenz zu gehen. Wer Dienstleistungen zum Dumpingpreis anbietet, wird nicht lange überleben. Ich rechne mit einer Marktbereinigung, bei der schwache Transportunternehmen ausscheiden.
STANDARD: Wann wird sich derMarkt voraussichtlich erholen?
Kummer: Das hängt eng mit der Realwirtschaft zusammen. Noch im Herbst 2009 sollten die Transportpreise wieder steigen. Dann, wenn sich die Nachfrage erholt und es im Sommer vermehrt zu Insolvenzen käme. Diese Marktbereinigung sollte aber bis längstens 2010 abgeschlossen sein. Zu dramatischen Verwerfungen könnte es aber dann kommen, wenn die erhöhte Konsumnachfrage im Weihnachtsgeschäft 2009 ausbleibt. Die nächsten sechs bis acht Monate werden jedenfalls schwierig, alle müssen ums Überleben kämpfen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.03.2009)