Für die Deutsche Telekom wird es beim milliardenschweren Ausbau des Glasfasernetzes laut EU-Kommission keine Ausnahme von den Wettbewerbsregeln geben. Medienkommissarin Viviane Reding widersprach am Mittwoch in Brüssel der Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine Lockerung der entsprechenden EU-Gesetze für den Telekomsektor erreicht zu haben. Reding machte klar, dass der Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs vom vergangenen Freitag auch weiter keine Regulierungsferien als Belohnung für Investitionen in das Breitbandnetz zulässt. "Nichts wird sich ändern", sagte Reding.

"Regulierungsferien"

Die deutsche Regierung hatte die Lockerung im Rahmen der Verhandlungen für das 5 Mrd. Euro schwere EU-Konjunkturpaket gefordert. So sollen Investitionen angeregt werden, ohne dass Steuergelder fließen. Konkret geht es um die sogenannte Risikoteilung. Die Deutsche Telekom soll vor einer Investition in neue Breitbandnetze einen Wettbewerber - wie Vodafone - am Risiko beteiligen können. Dieser Mechanismus ist wettbewerbsrechtlich dann umstritten, wenn die Investoren danach anderen Diensteanbietern den Zugang zu ihren Netzen verwehren können ("Regulierungsferien"). Nach Firmenangaben kostet der Ausbau der "Datenautobahn" in Deutschland in den kommenden 10 bis 15 Jahren bis zu 50 Mrd. Euro.

Zum Abschluss des EU-Gipfels hatte Merkel erklärt, eine Lockerung der Wettbewerbsregeln erreicht zu haben. Damit sollten Investitionen zur besseren Versorgung von ländlichen Gebieten mit schnellen Internetanschlüssen angekurbelt werden. Reding erwiderte: "Das, was der EU-Gipfel betont hat, ist das, was bereits geschieht: Zwei oder drei Betreiber können zusammenarbeiten, vorausgesetzt, dass sie nicht den Markt abschotten." In der offiziellen EU-Gipfelerklärung heißt es, die Wettbewerbsstruktur des Telekommarktes und das Diskriminierungsverbot müssen eingehalten werden.

"Wettbewerb führt zu Investitionen, dazu, dass man aktiv wird, und zu niedrigeren Preisen"

"Das ist der ausschlaggebende Satz", betonte Reding. "Wettbewerb führt zu Investitionen, dazu, dass man aktiv wird, und zu niedrigeren Preisen. Gerade in Zeiten der Krise sind offene Märkte wichtiger denn je." Deshalb müsse sie auch an ihren Vorschlägen für das neue Gesetzespaket für den Telekomsektor nichts ändern. Derzeit verhandeln die EU-Mitgliedstaaten über einen neuen europäischen Rechtsrahmen für die Branche ("EU-Telekompaket"). Nächste Woche beraten die zuständigen EU-Minister in Brüssel über das Thema.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer, der im Beirat der Bundesnetzagentur sitzt, hielt Reding vor, die Bundeskanzlerin in einer "noch nie dagewesenen" Weise anzugehen. Merkel habe Recht, wenn sie den Breitbandausbau forcieren wolle. "Es geht dabei nicht darum, das Unternehmensrisiko abzunehmen, sondern darum, das zusätzliche Regulierungsrisiko zu verringern."

Berlin und die EU-Kommission sind schon seit längerem im Clinch um Sonderregeln für die Deutsche Telekom. Weil Berlin den Konzern dafür zumindest zeitweise vor Wettbewerb schützen wollte, haben die Brüsseler Wettbewerbshüter Deutschland 2007 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt. Der Fall ist anhängig. "Das Vertragsverletzungsverfahren läuft weiter und ist auch weiterhin gerechtfertigt", sagte Reding.

Führung

In ihrem Bericht über den europäischen Telekomsektor bescheinigte Reding Europa eine weltweite Führungsposition bei Mobiltelefondiensten: Die Zahl der Handyverträge belief sich 2008 auf 119 Prozent der EU-Bevölkerung. Das sind 7 Prozentpunkte mehr als 2007. Die Erlöse des EU-Telekommunikationssektors stiegen 2008 um 1,3 Prozent im Jahresvergleich auf geschätzte 300 Mrd. Euro.

In Deutschland lobte die Kommission Preissenkungen im Mobilfunkbereich. Die monatliche Rechnung sei von im Schnitt gut 30 Euro im Monat 2007 auf 17 Euro 2008 gesunken. Die Zahl der Mobilfunkverträge beträgt 129 Prozent der Einwohnerzahl; 27,5 Prozent haben einen Breitbandzugang. Dagegen kritisierten die Wettbewerbshüter die Arbeit der Bundesnetzagentur. Regulierungsentscheidungen seien manchmal "langsam und uneffizient". So sei der Zugangstarif für neue Breitbandnetze nicht geregelt. Auch seien mehr Anstrengungen nötig, um den Breitbandzugang auf dem Land zu verbessern. Dort seien 87,5 Prozent der Bevölkerung versorgt, in den Städten seien es 99 Prozent. (APA/dpa)