Manche Dinge brauchen etwas Zeit. Exakt zehn Jahre liegt das "Cluetrain Manifest" schon vor. 95 Thesen, eine Webseite, eine Community, ein ganzes Buch darüber, wie das Internet die Massenkommunikation auf den Menschen zurückführt. Und das, als Untertitel des Buchs fast nebenbei, "das Ende von business as usual" verkündete.

Jetzt ist es so richtig da, das Ende von business as usual, in der weltweiten Wirtschaftskrise. Sagt zum Beispiel Nigel Morris. Der praktisch dauerlächelnde Glatzkopf in schwarzem Pullover und schon etwas abgetragenen Schuhen ist weltweiter Chef der Online(media)agentur Isobar, Tochter von Aegis. Das Medianetwork hat den Agenturchef eingeladen, um Kunden im Wiener Vestibül zu erklären, wie man wirbt, obwohl das Cluetrain Manifest sagt: "Wir sind immun gegen Werbung. Vergesst es einfach."

"Märkte sind Gespräche"

"Wir sprechen noch immer von targets, wenn wir Menschen meinen", warnt Morris im Gespräch mit dem STANDARD. Zielgruppe übersetzt den schießbereiten Unterton nur ungenügend. "Märkte sind Gespräche" beginnen die 95 Thesen des Manifests: "Märkte bestehen aus Menschen, nicht demografischen Sektoren".

Die Ziele haben sich selbst bewaffnet. Sie entscheiden in Blogs und durch Gespräche über neue Produkte. Wer ihnen zuhört, hat gewonnen, sagt Morris. Oder Chancen, zu gewinnen. Das iPhone war nicht perfekt, als es auf den Markt kam. Aber mit den zahllosen Zusatzprogrammen könne es jeder selbst verbessern. Und Apple höre auf den Kunden, wenn der eine Kopierfunktion für Texte vermisst oder die elendige Texterkennung doch abschalten möchte.

"Firmen wollen Märkte kontrollieren", sagt Morris, "die lassen sich aber nicht kontrollieren."

Der Agenturchef bezieht das auch auf den Gottseibeiuns der alten Medien, Google und seine gezielten Werbemöglichkeiten. Noch alle Imperien waren vergänglich, empfiehlt er, besser Geschichtsbücher als Business-Bibeln zu lesen. Und weil das schon immer so war, muss es auch diesmal so sein? IBM war vor nicht allzu langer Zeit der Inbegriff des Computers, wendet Morris ein. Und dann Microsoft. Heute Google.

2000, 2001 kurz nach dem Manifest, platzte die Börsenblase der Internetfirmen. Endlich wieder business as usual, glaubten viele Firmen, sagt Morris. Bis spätestens 2008. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 26.3.2009)