Das ist "MiGay": Ein Themenmix aus SzeneNews, LGBT-Rechten und Erfahrungsberichten. Auch Kunstprojekte werden vorgestellt: "Niech nas zobacza" ist ein Fotoprojekt aus Polen, das lesbische Lebensweisen dokumentiert.

Foto: diestandard.at

Vorurteile gegenüber migrantischen Strichern: Klischees, die auch auf ganz normale schwule Migranten abfärben, werden in MiGay thematisiert.

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Die "Frauenseite" in MiGay: Erklärungszwang über die eigene Sexualität nervt, finden die Autorinnen.

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So richtig wusste von den geladenen Gästen am Dienstag Abend eigentlich niemand, was eine/n bei der Präsentation der "ersten Zeitschrift für homosexuellen Migrant_innen" erwarten würde. Scheue Fragen wie, "weißt du vielleicht, wie es heißt?" oder "schreibst du da was?" wurde unter KollegInnen im Wiener "ega" ausgetauscht, doch überall schien die gleiche Ahnungslosigkeit vorzuherrschen. Schließlich lüfteten die OrganisatorInnen mit einem musikuntermalten Einzug von LGBT-Fahnen tragenden Personen das Geheimnis des Namens: "MiGay" heißt das neue Magazin, das künftig alle drei Monate in Wien erscheinen wird.

Hinter den MacherInnen verstecken sich für Insider keine Unbekannten: Der Verein ViennaMix versuchte bereits vor Jahren, eine Plattform für lesbischwule MigrantInnen in Wien zu etablieren, scheiterte aber nicht zuletzt an der mangelnden Finanzierung. Mit MiGay wird nun "eine andere Linie gefahren", soll heißen: Weniger politisch-intellektueller Austausch, mehr zielgruppengerechte Kommunikation.

"Politisch" ist das "MiGay" freilich trotzdem, denn es versucht Sichtbarkeit zu erzeugen für Menschen, die in den herkömmlichen (österreichischen) Medien und auch in Szene-Blättern gar nicht oder verzerrt vorkommen. Aber auch die Bedeutung nach innen ist den MacherInnen sehr wichtig: "Die Zeitschrift soll ein Wir-Gefühl unter homosexuellen MigrantInnen erzeugen, das unserer Ansicht nach sehr fehlt", so Chefredakteur Yavuz K. gegenüber dieStandard.at.

Gemeinsame Erfahrung: Ausschluss

Dieses "Wir-Gefühl", es ist oft von einem doppelten Anerkennungskampf geprägt: Viele MigrantInnen, die nach Österreich kommen, sind erst einmal damit beschäftigt, als "AusländerIn" akzeptiert zu werden, das Coming-Out bzw. das offene Leben als schwule bzw. lesbische MigrantIn stellt dann noch eine zusätzliche Herausforderung dar. "Viele unserer Leute kommen aus Ländern, in denen es Spannungen zwischen den Volksgruppen gibt. In Österreich arbeiten und feiern sie dann aber alle zusammen, allein schon deshalb, weil sie der Ausschluss von der Mehrheitsgesellschaft vereint."

Doch die Mehrheitsgesellschaft ist oft nicht das einzige Problem, mit dem migrantische Homosexuelle konfrontiert sind: Oft sind es auch die eigenen Familien und Communities, die ein massives Problem mit einem offen schwulen oder lesbischem Familienmitglied haben. Die Vorstellung, Homosexualität sei eine Erfindung des Westens, der man durch Verheiratung bzw. Rückkehr ins Heimatland entgehen könnte, sei demnach nicht nur für die Angehörigen ein ernsthaftes Argument im Umgang mit Homosexualität, sondern würde zum Teil auch von den betroffenen Jugendlichen selbst übernommen, so Yavuz K.

Szene-integrierend

"MiGay" sieht sich in diesem Zusammenhang als Anlaufstelle und Plattform für die Leute aus der Community, die sich nicht trauen, in die Szene zu gehen. Die Zeitschrift soll daher nicht nur in den einschlägigen Lokalen, sondern auch in ganz normalen Jugendzentren aufliegen, wo die Kids, die außerhalb stehen, auch erreicht werden können. "Uns geht es darum zu vermitteln: Ihr seid nicht allein. Wir haben auch bereits die Erfahrung gemacht, dass sich Leute richtig gerührt gezeigt haben über die Tatsache, dass es jetzt eine Zeitschrift gibt, die wirklich 'für sie' ist", so K.

Darüberhinaus will sich "MiGay" als Teil einer Debatte verstanden wissen, in der gelebte Vielfalt nicht nur Schlagwort bleibt: Türkische Lesben, schwule Ungarn, transsexuelle BosnierInnen, sie alle sind Teil eines multikulturellen Wiens, wie es seit Jahrhunderten besteht, und in dem Sichtbarkeit möglich gemacht werden muss. Dementsprechend offen ist auch der Aufruf zur Mitarbeit an der Zeitschrift gehalten: "Wir möchten alle Leute einbinden, die uns von ihren Erfahrungen als Migrant/in mit einer nicht heterosexuellen Orientierung berichten wollen", so der Chefredakteur. Professionelle journalistische Fähigkeiten seien hingegen nicht notwendig. Einige der Artikel in "Migay" werden auch in nicht-deutscher Sprache erscheinen, wie türkisch, polnisch, oder bosnisch/kroatisch/serbisch.

Expansion

Für die kommenden zwei Jahre hat sich das junge Projekt ziemlich viel vorgenommen. Im ersten Jahr soll "MiGay" vierteljährlich mit einer Auflage von 5.000 Stück erscheinen. 2010 ist dann ein zweimonatlicher Erscheinungstermin geplant. Immerhin für dieses Jahr ist die Finanzierung von MiGay bereits gesichert: Private Sponsoren und Förderzusagen von einzelnen Parteien ermöglichen dem ehrenamtlichen Projekt die weitere Existenz.

K. selbst hat sich vor ca. drei Jahren bei seinem Arbeitgeber geoutet: "Bei einer internen Geburtstagsfeier war es schließlich so weit, weil ich den Druck, mich permanent verleugnen zu müssen, einfach nicht mehr ausgehalten habe." Die Reaktionen seien "durchwegs positiv" gewesen, wohl auch deshalb, weil der Schritt lange vorbereitet war. "Natürlich errichtet man sich im Laufe der Jahre ein Netzwerk an Leuten, denen man vertraut, bei denen man mal zu dem Thema vorfühlt", erläutert der MiGay-Macher. Seit er in seiner Firma offen schwul sein kann, hat er auch in der Firma einiges bewegt: Inzwischen gibt es in dem mittelgroßen Betrieb eine ganze Gruppe an offen homosexuell lebenden MitarbeiterInnen. (freu, dieStandard.at, 26.3.2009)